Es war keine unbeschwerte Geburtstagsfeier, zu der Jens Weidmann, Chef der Deutschen Bundesbank, anlässlich des 25. Jubiläums der Unterzeichnung des im Februar 1992 besiegelten Vertrages von Maastricht eingeladen hatte. Befürworter und Gegner der europäischen Währungsunion trafen zusammen, um Zwischenbilanz zu ziehen: Was hat funktioniert, welche der seinerzeitigen Warnungen waren berechtigt, wo soll die Reise hingehen?
Die Grundthese der Skeptiker von damals: erst wenn sich Volkswirtschaften in Bezug auf ihre Wettbewerbsfähigkeit aneinander weitgehend angeglichen haben, kann eine Gemeinschaftswährung als krönender Abschluss gegenseitiger Annäherung funktionieren. Deren frühzeitige Einführung würde hingegen zu noch größeren Ungleichgewichten und letztlich auch politischen Krisen führen, da der Verzicht auf Wechselkursschwankungen die außenwirtschaftliche Anpassung erschwert.
Die Anhänger dieser „Krönungstheorie“ unterlagen jedoch einer deutlichen Mehrheit von Ökonomen und Europapolitikern, die „Krönung“ ganz anders – nämlich politisch – definierten: sie sahen die Einführung des Euro als Voraussetzung einer schrittweisen realwirtschaftlichen und budgetpolitischen Annäherung der Teilnehmerstaaten, die eines Tages in einen europäischen Bundesstaat und damit auch eine „Fiskalunion“ münden sollte. Um bis dahin kein unkoordiniertes Nebeneinander zu riskieren, führte man die als „Maastricht-Regeln“ bekannten Grenzwerte für die Staatsverschuldung ein.
Ein knappes Jahrzehnt lang schien sich dieser Weg zu bestätigen. Dann trat mit der Finanzkrise 2008 ein dramatisches Sonderereignis ein, mit dem niemand gerechnet hatte. Die enge Verschränkung von Staaten und Banken im Euroraum erwies sich als ein Gefahrenherd, der bis heute – trotz permanenter Schutzschirme und Rettungspakete – nicht endgültig entschärft ist. Die Europäische Zentralbank kauft zwar mit ihrer Niedrigstzinspolitik und massiven Anleihekäufen Zeit – aber niemand weiß, ob sie reichen wird, bevor es zu einem politischen Zerfallsprozess der Eurozone kommt. Zusätzlicher Druck geht nun von einem US-Regime aus, das die immer schon bestehende Geringschätzung des europäischen Projekts in offene Gegnerschaft überführt. Mitten im Porzellanladen der Notenbanken-Diplomatie ist plötzlich von einem Währungskrieg die Rede.
Der Euro ist ein irreversibles Projekt, das nicht auf geordnete Weise in einzelne Teile – etwa einen Nord- und einen Süd-Euro – aufgelöst werden kann. Zugleich ist die Fiskalunion in unerreichbare Fernen gerückt. Daher muss die Vorsorge für eine verlässliche, dauerhafte Währung durch Vollendung der Bankenunion, eine Reform der Maastricht-Spielregeln und ein glaubwürdiges Insolvenz-Verfahren für überschuldete Staatshaushalte verstärkt werden. Unrealistische Schein-Alternativen wie den „atmenden Euro“ mit Aus- und Wiedereintritten in eine Währungsunion á la Carte sollten wir hingegen nicht weiter verfolgen. Nur nüchterner Realitätssinn bewahrt uns die Chance, in weiteren 25 Jahren ein halbes Euro-Jahrhundert als Erfolg zu feiern.
23. Februar 2017