Um dem permanenten Informationsgewitter rund um den irrlichternden US-Präsidenten und die vielen, so besorgniserregenden Krisenherde zu entfliehen, gönnte ich mir kürzlich den Besuch einer Tagung der Europäischen Akademie über Quantenphysik und Philosophie im tiefwinterlichen Salzburg. Ich wollte mir Ablenkung verschaffen, indem ich als absoluter Naturwissenschafts-Laie in eine Wissensmaterie eintauche, die mit all dem nichts zu tun hat und es nur selten in die Schlagzeilen schafft, obwohl sie von fundamentaler Bedeutung für die Gestalt der Welt und unser tägliches Leben ist.
Quantenphysikalische Erkenntnisse, so erfuhr ich dort, sollen für mehr als 40 Prozent aller Erfindungen mitverantwortlich sein, mit denen zu leben uns zur Gewohnheit geworden ist. Das gilt vor allem für die moderne Kommunikation und die Computerwissenschaft mit ihren exponentiell steigenden Verarbeitungskapazitäten von Information. Dass ein einziges Mobiltelefon der neuesten Generation bereits mehr kann als einer jener Großrechner, die 1969 die Mondlandung der Apollo11 möglich machten, haben wir ja schon irgendwo staunend gehört. Die aktuellsten Forschungsprojekte aber sollen auch das noch übertreffen.
Damit die USA der europäischen Konkurrenz in Sachen Digitale Ökonomie nicht uneinholbar davonziehen, betreibt die EU einen einschlägigen Förderschwerpunkt, zu dem die Technische Universität Wien und das Forschungszentrum Quantenphysik der Universität Innsbruck mit international hoch beachteten Spitzenleistungen beitragen.
Quantenphysik, auch das lernte ich bei dieser Tagung, weist gegenüber der klassischen Technikwelt mit ihren Modellen und Versuchsanordnungen einen entscheidenden Unterschied auf: Ort und Geschwindigkeit der kleinsten Teilchen sind nicht genau messbar, weil jede Messung ihren Zustand verändert. Es gibt deshalb auch keine genauen, modellhaften Prognosen über deren jeweiliges Verhalten. Das macht die Versuche so besonders anspruchsvoll. Darüber hinaus sind die Teilchen auf eine bestimmte Weise miteinander verschränkt, die mich hellhörig machte und mit einem Mal wieder zurück in die Welt der aktuellen politischen Fragen zurückkatapultierte.
„Verschränkung“ bezeichnet nämlich die Beschaffenheit einer Sache, die nicht in ihre Teile zerlegt werden kann, ohne das Ganze zu zerstören: Wer müsste da nicht an die Europäische Union denken, die sich kurz vor dem im März bevorstehenden 60-Jahr-Jubiläum der Unterzeichnung jener Römischen Verträge, mit denen das Gemeinschaftswerk nach dem überstandenen Weltkrieg seinen Anfang nahm, in einem höchst fragilen Zustand befindet. Die Flieh- und Zerfallskräfte zerren heftig am bisher Erreichten. Werden wir es schaffen, die Teile zu stärken und neu zu ordnen, ohne zugleich das Ganze zu zerstören?
P.S.: Es war übrigens Salzburg, wo Albert Einstein 1909 als damals Dreißigjähriger seine revolutionäre Sicht des Quantenproblems erstmals bei einer internationalen Naturwissenschaftlichen Tagung vorstellte.
09. Februar 2017