Wenn sie auch bisher vom Getöse des amerikanischen Wahlkampfes übertönt wurde: eine manifeste industrie- und finanzpolitische Auseinandersetzung zwischen den USA und Europa lässt sich nicht mehr leugnen. Ob man den verschärften Konkurrenzkampf mit eingestreuten Fouls gar schon als „Wirtschaftskrieg“ beschreibt, ist Geschmackssache – aber ernst genug ist die Sache jedenfalls.
Auf dem unübersichtlichen Wimmelbild der Haupt- und Nebenschauplätze des transatlantischen Kräftemessens finden sich höchst kontrastreiche Szenen: Wolfsburger Auto-Manager auf Canossa-Fahrten zu amerikanischen Bezirksrichtern, die über Strafen in zweistelliger Milliardenhöhe entscheiden, eine couragierte EU-Kommissarin, die von Apple in Irland hinterzogene Steuern einfordert – und zuletzt Vertreter der Deutschen Bank, die sich mit einer auf 14 Milliarden lautenden Forderung der amerikanischen Finanzmarktaufsicht herumschlagen.
Für das ehemals führende Finanzinstitut, dessen Vorstände vor über zwei Jahrzehnten das strategische Ziel verkündeten, die Vorherrschaft der amerikanischen Investmentbanken auf den internationalen Kapitalmärkten zu brechen, ist dieser Vorgang existenzgefährdend. Nach einem radikalen Bruch mit der bisherigen, grundsoliden Unternehmenskultur hatte man durch teure Zukäufe und exzessive Expansion ein gutes Jahrzehnt lang beachtliche Erfolge auf dem internationalen Parkett. Dann aber änderte die Finanzkrise alles.
Während jedoch die amerikanischen Investmentbanken ihre Kapitalausstattung nach der Lehman-Pleite deutlich verbessert haben, unternahm die Deutsche Bank alles, um weiterhin mit einer extrem knappen Eigenmitteldecke auszukommen und das Volumen der gehandelten Derivate in unüberschaubare Größenordnungen von zuletzt 46 Billionen Euro zu treiben. Auf nicht einmal drei Prozent der Bilanzsumme beläuft sich aktuell das an der Verschuldungsquote („Leverage Ratio“) gemessene, „echte“ Eigenkapital.
Seit im Rahmen der Europäischen Bankenunion zum Schutz der Steuerzahler zwingend vorgesehen ist, dass im Sanierungsfall alle Gläubiger zur Schur gebeten werden, sinkt das Vertrauen in eine derart schwach kapitalisierte Bank beinahe so rasch wie der Börsenkurs. Er liegt gerade noch bei einem Zehntel des Wertes von 2007 – und damit etwa in der Größenordnung der amerikanischen Strafandrohung. Neue Aktionäre für eine Kapitalerhöhung zu gewinnen, wird schon deshalb schwierig sein, weil bereits die beiden letzten Aufstockungen fast zur Gänze für Strafzahlungen – für die Mitwirkung an der Manipulation von Geldmarktsätzen bis zu Steuer-Vergehen – aufgingen.
Spekulationen über staatliche Hilfsaktionen wurden bisher strikt zurückgewiesen. Weil sie aber für die Industrie des Exportweltmeisters von so entscheidender Bedeutung ist, versprechen die Vorstände namhafter Unternehmen, „ihre“ Bank nicht im Stich zu lassen und bei Kapitalerhöhungen mitzumachen. Ein defensiver, aber überlebensnotwendiger Schritt im Ringen um globale Wettbewerbsfähigkeit.
10. November 2016