die furche - 198

Globexit ist keine Lösung

 

In jüngster Zeit scheinen die Vorreiter der Re-Nationalisierung einen Etappensieg nach dem anderen einzufahren. Sie punkten mit dem Versprechen, die innerhalb weniger Jahre vom Hoffnungsprojekt zum Feindbild gewordene Globalisierung zu bekämpfen. Wohl selten hat sich ein politisches Leitbild so rasch verbraucht.

Zwar verlauteten schon bald nach dem Fall der Mauer 1989 und der nachfolgenden Öffnung ehemaliger Planwirtschaften für Demokratie und Marktwirtschaft erste Warnrufe vor den Folgen einer „Globalisierungsfalle“ – so der Titel des damaligen Bestsellers von Hans Peter Martin und Harald Schumann. Dennoch blieb die Vision eines globalen Aufbruchs zu mehr Wohlstand und Demokratie bis zum Ausbruch der Finanzkrise weitgehend intakt.

Damit ist es nun vorläufig vorbei. Aus dem unschuldigen Sammelbegriff für weltumspannende Informations-, Güter- und Geldflüsse ist ein Synonym für lange verdrängte Schattenseiten der ursprünglich so aussichtsreichen Sache geworden. Verstärkt durch das europäische Versagen in der Flüchtlingskrise schwindet das Grundvertrauen in das politische System, Europäisierung und Globalisierung werden zunehmend als Elitenprojekte wahrgenommen.

Der trügerische Fluchtweg in einen Ausstieg aus der Globalisierung („GLOBEXIT“) ist jedoch versperrt. Es gibt – und das ist gut so – kein Zurück in die Welt vermeintlich geschützter National-Ökonomien und gescheiterter Planwirtschaften. Vielmehr geht es darum, auf nationalstaatlicher, europäischer wie globaler Ebene zeitgemäße Antworten auf die entscheidende Ausgangsfrage jeder Wirtschaftsordnung zu finden: Wie ermöglicht man einer möglichst großen Zahl von Menschen die Teilnahme am Wertschöpfungsprozess einer arbeitsteiligen Ökonomie – und wie lassen sich aus dessen Verteilmasse die gemeinschaftlichen Ziele in den zentralen Bereichen des Rechtsstaates, der Sicherheit, der Sozialfürsorge, Bildung, Gesundheit und Infrastruktur finanzieren?

Entscheidend ist, für Fragen des Welthandels, des Klimaschutzes, der Finanzkooperation und der Steuergerechtigkeit global verbindliche Spielregeln zu schaffen. Das kann aber nur gelingen, wenn die multinationalen Unternehmen und Finanzkonglomerate mit ihren Sonderinteressen diszipliniert werden. Wie schwer das fällt, zeigt der aktuelle Streit um die irischen Steuerprivilegien des US-Konzerns Apple.

Die Politik alleine ist mit der Aufgabe überfordert. Sie bedarf der kritischen Begleitung durch die sogenannte Zivilgesellschaft, um voranzukommen. Dass das europäisch-amerikanische Freihandelsabkommen TTIP nun wegen mangelnder Transparenz neu verhandelt werden muss, kann in diesem Sinn durchaus als Erfolg gebucht werden. Zudem entsteht daraus die Chance, das strittige Konzern-Besteuerungsthema gleich mit zu verhandeln.

Globalisierung ist zu wichtig, als dass man sie ihren Gegnern überlassen könnte. Sie kann aber nur funktionieren, wenn sie nach den Grundsätzen einer verantworteten Marktwirtschaft gestaltet wird. 

15. September 2016

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