Mit Ende dieser Woche erscheint vorläufig zum letzten Mal das „Wirtschaftsblatt“, die einzige ausschließlich Wirtschaftsthemen gewidmete Tageszeitung Österreichs. Eine verkaufte Auflage von über 20.000 Exemplaren reichte wegen der sinkenden Inseratenerlöse nicht fürs Überleben. Die Styria Media Group – sie ist auch Eigentümerin der FURCHE – sah sich deshalb zur Schließung gezwungen.
Als das „Wirtschaftsblatt“ 1995 im Jahr des österreichischen EU-Beitritts gegründet wurde, herrschte Aufbruchsstimmung. Die Ostöffnung war vollzogen, die Zugehörigkeit zum Binnenmarkt wirkte beflügelnd, die Aussicht auf Einführung des EURO stärkte die Überzeugung, mit der Globalisierung zu Recht zu kommen. 21 Jahre und eine Finanzkrise später hat sich nicht nur das wirtschaftliche Umfeld verändert. Auch die Medienlandschaft ist durch Digitalisierung, Social Media und dramatische Rückgänge im traditionellen Zeitungsbereich kaum wieder zu erkennen.
Als einem Leser der ersten Stunde wird mir die wochentägliche Informationsdosis fehlen. Nicht wegen der Neuigkeiten über das Marktgeschehen und die Kursentwicklung an den Finanzmärkten – das alles ließe sich heute auch digital abrufen. Viel einschneidender wäre der Verzicht auf eine attraktive Bühne für unternehmerische Initiativen. Allein die jährlichen Preisverleihungen an Familienunternehmen und „Leading Companies“ stärkten das Selbstbewusstsein vieler, sonst meist im medialen Schatten stehender Unternehmen, die tägliche Basisarbeit zur Schaffung und zum Erhalt von Arbeitsplätzen leisten. Sie verlieren nun einen engagierten Medienpartner, der ihnen im Kampf gegen Überregulierung und Bürokratie beisteht.
Die mehrfach preisgekrönte Redaktion ersparte ihren Lesern jenen ideologischen Ballast, mit dem Wirtschaftsberichterstattung sonst so oft einhergeht. Hier ging es nicht um Neoliberalismus, sondern um herzeigbare Leistungen, nicht um kurzatmigen Shareholder-Value, sondern um Wertschöpfung. In einem Land mit chronisch unterentwickeltem Wirtschaftswissen und einer vielfach lebensfremden, vorurteilsbeladenen Haltung gegenüber der Welt der Unternehmen würde diese publizistische Stimme, die immer mehr war als ein Wirtschaftsblatt, doppelt fehlen.
Doch möglicherweise gibt noch eine Überlebenschance, wurden doch in letzter Minute Gespräche mit Investoren aufgenommen, die mit der Redaktion einen Neubeginn wagen könnten. Beteiligungsmodelle in Kombination mit „Management Buy-Outs“ sind zwar im Medienbereich selten – aber es gibt durchaus erfolgreiche Beispiele, wie das von seinem Chefredakteur 2013 mit Beteiligungspartnern vom Verlag Gruner+Jahr übernommene Mittelstands-Magazin „Impulse“ zeigt. Angesichts der unzähligen Sympathiebekundungen der letzten Tage wäre aus meiner Sicht sogar eine ergänzende Finanzierung durch Unternehmen und Abonnenten über „Crowd-Funding“ vorstellbar.
Wie immer die Neustart-Variante aussehen mag: ich wünsche dem Wirtschaftsblatt-Team dafür den verdienten Erfolg und das notwendige Glück!
01. September 2016