Kaum ein Tag vergeht, an dem wir nicht von neuen, bürokratischen Exzessen hören. Lässliche Vergehen gegen längst undurchschaubare Vorschriften werden mit exorbitanten Strafen geahndet, Betriebsanlagengenehmigungen nicht selten schikanös verzögert, Abweichungen vom föderalistisch verworrenen, durch europäische und branchenspezifische Standards verkomplizierten Normverhalten rigoros sanktioniert.
In den Medien befassen sich eigene Serien nach dem Witze-Motto „Kennen Sie den?“ mit der Veröffentlichung der auffälligsten Tollheiten. Etwa von der fünfstelligen Euro-Geldstrafe, die einem Wachauer Wirten aufgebrummt wurde, der eine an Wochenenden bei ihm beschäftigte Verwandte nicht offiziell angemeldet hatte. Oder vom Blumenverkäufer, der spätestens dann konzessionspflichtig wird, wenn er statt einzelner Blumen Sträuße feilbietet. Oder vom Filmemacher, der sich schweren Herzen entschließt, künftig nur mehr im Ausland zu drehen, weil die Beschäftigung von Komparsen am Set hierzulande arbeitsrechtlich unnötig erschwert wird.
Auch war es keine gute Idee, die Steuerreform zum allergrößten Teil mit weit überschätzten Einnahmen aus der Bekämpfung von Steuerbetrug gegenfinanzieren zu wollen. Gar nichts spricht gegen Registrierkassen, aber der Versuch, allzu ambitioniert sämtliche Übergangszonen zwischen hochregulierter, offizieller Wirtschaft und „grauer“, inoffizieller Ökonomie auszuleuchten, führt in der Praxis bereits jetzt zum Verlust an Arbeitsplätzen. Viele kleinere Selbständige geben einfach auf oder stellen niemand Neuen mehr ein.
Die Überregulierung der Wirtschaftswelt ist zum manifesten Konjunkturhemmnis geworden. Schleichend greift eine Art Umkehr der Beweislast, die allen, die unternehmerische Wagnisse eingehen wollen, das Risiko einer strafbaren Vorschriften-Verletzung beschert.
Otto Grünmandl hieß ein im Jahr 2000 verstorbener, aus Tirol stammender Schriftsteller und Kabarettist, an den sich Viele erinnern werden, die in den Achtziger- und Neunzigerjahren Radio gehört haben. Seine „alpenländischen Interviews“ brachten es zu Serien-Popularität auf OE3. In der Kunstfigur eines kauzig-biederen Mitarbeiters des „alpenländischen Inspektoren-Inspektorats“ machte er auf Kleinbühnen Furore und löste mit seiner Parodie eines verbissenen Wächters regelkonformen Verhaltens Lachstürme aus. Ob er damit heute noch Erfolg hätte, ist unwahrscheinlich. Die Auswüchse übertriebener Regulierungswut sind mittlerweile zu real, als dass man darüber noch unbeschwert lachen könnte.
Als ginge es um den Sieg in einer Ankündigungs-Europameisterschaft versuchen Regierungs- und Sozialpartner neuerlich, einander mit Vorschlägen zu übertreffen, deren baldige Realisierung wenig wahrscheinlich ist. Dabei liegt das Gute so nah: es gälte „nur“, sich auf einen Zeitplan für die Umsetzung konkreter Reformvorschläge des Rechnungshofes zu einigen und die schon zahllose Male angekündigte Entbürokratisierung endlich in Angriff zu nehmen. Und schon würde sich die Stimmung aufhellen.
23. Juni 2016