Im goldenen Tesla, dem teuren Symbol digitalisierter Elektromobilität, absolvierte der Schweizer Unternehmer und Philanthrop Daniel Häni seine Werbetournee für ein Ja zum bedingungslosen Grundeinkommen. Über den Ausgang der Volksabstimmung machte er sich keine Illusionen. Er darf als Erfolg verbuchen, dass man über seine Vision weltweit diskutiert.
Die gar nicht so neue Idee – erste Anfänge gehen auf Thomas Morus „Utopia“ zurück – hat mit der rasant fortschreitenden Digitalisierung und Roboterisierung menschlicher Arbeit Rückenwind bekommen. Wenn die herkömmliche Vollzeitarbeit knapp wird, mit deren Besteuerung wir unser hoch ausgebautes Sozialsystem finanzieren, sind Alternativen gefragt. Im Originaltext der Initiative liest sich das so: „Der Sozialstaat war die Antwort auf die Industrialisierung. Das bedingungslose Grundeinkommen ist die Antwort auf die Digitalisierung. Die humanistische Antwort auf den technologischen Fortschritt.“
Eine Zukunft mit bedingungslosem Grundeinkommen wäre allerdings nicht so goldig wie es die Kampagnenfarbe der Befürworter in Aussicht stellt. Denn alle bisherigen, auf die persönliche Bedarfssituation abgestellten Sozial- und Pensionssysteme müssten dafür aufgegeben werden. Meist über viele Arbeitsjahre erworbene Versicherungs- und Vorsorgeansprüche könnten nur mit langen Übergangsfristen abgelöst werden, während derer für die Finanzierung des Grundeinkommens hohe Zusatzkosten entstünden. Wie diese Zusatzkosten aufgebracht werden sollen, bleibt unklar. Die Schweizer Variante liefe auf eine exorbitant hohe Konsumsteuer hinaus, deren Einführung die bestehenden Ungleichheiten dramatisch verschärft hätte. Andere Konzepte sehen hohe progressive Einkommensteuersätze von bis zu 90 Prozent vor.
In Österreich kämpft die katholische Sozialakademie seit drei Jahrzehnten um das bedingungslose Grundeinkommen. Man hofft, damit Menschen vom „Arbeitszwang“ zu befreien. Allerdings könnte diese vermeintliche „Befreiung“ dazu führen, dass sich die Gesellschaft von der Verpflichtung loskauft, für vermehrte Erwerbsbeschäftigung zu sorgen. Segregation statt Inklusion ist ja heute schon eine reale Gefahr bei jugendlichen Mindestsicherungs-Beziehern, die sich nicht selten in Parallelwelten verfestigter Beschäftigungslosigkeit verabschieden. Aktivierende Sozialhilfe mit staatlichen Arbeitsangeboten („Grundeinkommen mit Arbeit“) wäre für sie womöglich eine sozialere Alternative.
Schließlich würden Grundeinkommens-Modelle in einem Europa der offenen Arbeitsmarktgrenzen und exorbitanten Gehaltsunterschieden zu unbeherrschbaren Wanderungsbewegungen führen – ein Problem, das wohl nur in der konsequent abgeschotteten Schweiz beherrschbar bliebe.
Auch wenn die Ablehnung durch 77 Prozent Nein-Stimmen am vergangenen Sonntag sehr deutlich ausfiel: Herrn Hänis streitbare Initiative hat die Debatte um neue Wege der sozialen Grundsicherung („Sozialsystem 4.0“) unbestreitbar befeuert. Sie wird uns noch lange beschäftigen.
09. Juni 2016