Dass in Österreichs Schulen alles, was man über Wirtschaft lernt, noch immer mit Geografie in ein gemeinsames Fach gezwängt wird, lässt sich auch am Namen der Lehrbücher ablesen. Eines davon heißt „Geospots“. Es wird für den Unterricht in der 7. und 8. Klasse Gymnasium eingesetzt und sorgt nun für unerwartete Aufregung.
Ein Kapitel, in dem Attac-Mitbegründer Christian Felber als Vertreter einer der großen ökonomischen Denkschulen in einer Reihe mit John Maynard Keynes, Karl Marx, Milton Friedman und Friedrich August Hayek genannt wird, hatte eine Petition von zunächst 27 und inzwischen weit über 100 Wirtschaftsforschern zur Folge, in der man von der Unterrichtsministerin fordert, das Buch aus dem Verkehr zu ziehen. Man könne nicht jemanden auswählen, der „vorwiegend als politischer Aktivist auftritt, über keine ökonomische Ausbildung verfügt und keine wirtschaftswissenschaftliche Publikation vorweisen kann“. Außerdem erfülle die von Felber propagierte Gemeinwohlökonomie nicht die üblichen Kriterien der Wissenschaft.
Auch ich empfand, als ich davon las, die prominente Platzierung als verfehlt. Denn im Unterschied zu Felbers Intention, die ich respektiere, halte ich – mit Ausnahme der Finanztransaktionssteuer – nur wenige seiner konkreten politischen Vorschläge für praktikabel („Gemeinwohlbilanz“), andere hingegen für kontraproduktiv („Wirtschaftskonvent“) und demokratiepolitisch bedenklich. Noch mehr aber störte mich, dass in dem inkriminierten Lehrbuch Adam Smith nicht vorkam, jener englische Moralphilosoph, der mit seinem Werk über den „Wohlstand der Nationen“ vor fast genau 240 Jahren die moderne Marktwirtschaft begründete.
Wenig später meldete sich Christian Felber mit einer ausführlichen Stellungnahme zu Wort. Er sehe sich gar nicht als Wissenschaftler, sondern gehe mit einem viel breiteren Interesse an die Ökonomie heran. Und wenn er jemand anderen vorschlagen könnte, wäre es – Adam Smith. Diese Reaktion gefiel mir natürlich, sodass ich seinen Text genauer las. Und da fand sich ein Satz, dem ich als überzeugter Anhänger der Sozialen Marktwirtschaft voll zustimmen kann: „Die Gemeinwohl-Ökonomie legt den Finger auf einen wunden, vielleicht den wundesten Punkt der Mainstream-Ökonomie: Dass sie den Sinn und das Ziel der Ökonomie vergessen und die Grundwerte aus den Augen verloren hat.“
Vielleicht sollten die Unterzeichner der Protestresolution in ihre Forschungsprogramme stärker als bisher aktuelle politische und ethische Fragestellungen einbeziehen und so das Vertrauen in eine sozial und ökologisch verantwortliche Wirtschaftsordnung erneuern. Das würde die Flucht in Gemeinwohl-Phantasiewelten weniger attraktiv machen und wäre ganz im Sinn von Peter F. Drucker (1909 – 2005), dem in Wien geborenen Erfinder der Management-Lehre: „Freie Marktwirtschaft kann nicht damit gerechtfertigt werden, dass sie gut für die Wirtschaft ist, sie kann nur damit gerechtfertigt werden, dass sie gut für die Gesellschaft ist“.
14. April 2016