Die furche - 182

Sachgerecht und menschengerecht

 

In der Kürze liegt manchmal nicht nur Würze sondern auch der Keim von Missverständnissen. In meiner letzten Kolumne schrieb ich über zwei sehr gegensätzliche sozialistische Wirtschaftsmodelle: die trotz massiver demokratiepolitischer Defizite ökonomisch erfolgreiche „kommunistische Marktwirtschaft“ Chinas und – im Kontrast dazu – den gescheiterten Realsozialismus des Hugo Chavez und seines autoritären Nachfolgers Maduro in Venezuela. Ich sehe beide Modelle sehr kritisch, verhehle aber nicht, dass ich im Zweifel ganz eindeutig dem chinesischen vor dem südamerikanischen Weg den Vorzug geben würde. Einige Leser meinten darin die versteckte Botschaft zu erkennen, ich sei ein Freund ungezügelter Marktwirtschaft und gegen jegliche staatliche Intervention.

Ich habe meinen Text daraufhin kritisch überprüft und möchte im Nachholverfahren verdeutlichen, worum es mir geht. Vielleicht gelingt das am besten, indem ich den großen Sozialethiker Johannes Schasching zitiere: Eigentum, freie Arbeit, Unternehmertum und Markt sind wichtige Bausteine einer erfolgreichen Wirtschaft. Der Markt allein aber garantiert noch keineswegs automatisch das Wohl aller. Er ist bedroht von Verfälschungen und Macht. Auf die Dauer wird eine Wirtschaft nur dann effizient sein, wenn sie nicht nur sachgerecht, sondern auch menschengerecht, gesellschaftsgerecht und umweltgerecht gestaltet ist.

Ein Wirtschaftssystem, das Sinn machen soll, muss also Produktivität und Wertschöpfung mit sozialem Ausgleich und ökologischer Verträglichkeit verbinden. In der sozialen Marktwirtschaft ist diese grundlegende Anforderung – bei aller Unvollkommenheit – in einem weit höheren Maß verwirklicht, als es deren Vordenker zu träumen gewagt hätten. Dennoch ist dieses bewährte System gefährdet und befindet sich in einer massiven Legitimationskrise. Es droht, in Richtung eines ungezügelten Finanzkapitalismus zu entgleisen.

Wir können uns nicht mehr sicher sein, ob unsere demokratischen Möglichkeiten noch ausreichen, um die dringend notwendigen ordnungspolitischen Korrekturen in Gang zu setzen. Das Gestaltungsprimat der Politik gegenüber dem Markt wird permanent in Frage gestellt. Überdies erschwert eine überhastete Globalisierung ohne ausreichende ordnungspolitische Korrektive die Orientierung.

Wie werden wir es schaffen, die Substanz jenes Wirtschaftsmodells, das uns einen im historischen Vergleich ausnehmend hohen Wohlstand in Verbindung mit sozialem Ausgleich gebracht hat, grundlegend zu erneuern? Meiner Überzeugung nach jedenfalls nicht mit anti-marktwirtschaftlichen Denkmustern, sondern in dem wir die Dynamik des Marktes wieder in den wertschöpfenden Dienst der Gesellschaft stellen.

Johannes Schasching, den ich in den Achtzigerjahren noch persönlich kennenlernen durfte, meinte dazu einmal: Markt und Marktwirtschaft entsprechen – im Rahmen der richtigen Ordnung – der Freiheit des Menschen und einer freien Gesellschaft. Die Kollektivwirtschaft jedoch zerstört beides. So war und ist es gemeint.

04. Februar 2016

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