Während meines Studiums verfasste ich eine Zeit lang Gedichte, darunter auch eines, das den Waffenhandel kritisierte. Es wurde in der Literaturzeitschrift „Pestsäule“ veröffentlicht und enthielt – wie es damals Mode war, in Kleinschreibung – den Satz: „auch im waffenhandel bestimmt die nachfrage den preis. verblutungszeit ist blütezeit.“ Daran musste ich bei den sommerlichen Meldungen über Terror und kriegerische Konflikte denken, blüht doch das Waffengeschäft heute wieder wie selten zuvor – oder besser: es „boomt“, wie sich das für ein Bombengeschäft gehört.
Das weltweite Volumen des Waffenhandels stieg allein in den letzten vier Jahren um 25 Prozent an, die Militäretats der Welt sogar um über 50 Prozent. Nicht nur fernöstliche Großmächte und ehrgeizige Schwellenländer rüsten nach, sondern auch jene korrupten Regime etlicher kleinerer Staaten, die ihre Bevölkerung durch permanente Ressourcen-, Religions- und Stammeskriege zu Asylsuchenden machen. Der Schwarzhandel mit Waffen an Splittergruppen und Warlords scheint überhaupt gänzlich außer Kontrolle geraten zu sein.
Obwohl nicht weniger als 118 Staaten den „Arms Trade Treaty“ unterschrieben haben, der Mindeststandards für den internationalen Handel mit konventionellen Waffen festsetzt, fühlt sich für die politische Durchsetzung des geduldigen Vertragstextes offensichtlich niemand zuständig. Vielerorts verdichten sich martialische Ankündigungen, werden Großmanöver wie zu Zeiten des Kalten Krieges abgehalten, eskaliert der rhetorische und reale Drohnenkrieg, wird aus „War Games“ bittere Realität.
Das sind Jubelnachrichten für einen Geschäftszweig, dessen Albtraum ein dauerhafter Weltfriede wäre, wie er sich im ersten Jahrzehnt nach dem Fall des Eisernen Vorhangs abzuzeichnen schien. Globalisierung war damals ein mit hochfliegenden Erwartungen verknüpftes Synonym für eine wirtschaftlich-soziale Weltordnung, die mit abnehmender Not und wachsender politischer Freiheit einhergeht.
Seit „Nine-eleven“, den Kriegen in Afghanistan und im Irak und dem in jeder Hinsicht gescheiterten, rückblickend gesehen unfassbar naiven Projekt des „Arabischen Frühlings“, ist alles anders. Die fehlende Einbindung Russlands erschwert die Suche nach einer neuen Friedens-Balance, an den brisantesten Krisenherden bleiben die Verhandlungstische überhaupt leer, weil es kein gesprächsbereites Vis-a-vis gibt. Wer stoppt die Kriegstreiber und all jene, die von ihrem Treiben profitieren?
Während des Entstehens dieser Kolumne höre ich im Radio das Tripelkonzert von Ludwig van Beethoven, wunderbar interpretiert von Daniel Barenboim und dem vom ihm gegründeten West-Eastern-Divan-Orchester, in dem er junge Israelis und Palästinenser zum gemeinsamen Spiel und friedlichen Zusammenleben anleitet. Wie alle anderen, die sich pädagogisch engagieren und Integrationsprojekte fördern, trägt er Unschätzbares dazu bei, dass die Lobby der Friedensstifter eines Tages wieder stärker wird als jene der Waffenhändler.
27. August 2015