„S´war ned Wean, wann net durt, wo ka Gfrett is ans wurt“. Als ich die neuesten Meldungen über den Euro las, musste ich an diesen pointierten Vers aus „Wien wörtlich“ von Josef Weinheber denken. Denn ganz unabhängig von der jeweiligen Sachlage scheint alles, was sich rund um die Gemeinschaftswährung tut, in den Augen der Öffentlichkeit ein Gfrett zu sein – auch dann, wenn es eigentlich gar keines ist. Und zwar nicht nur in den österreichischen, sondern auch in den Medien unserer deutschen Nachbarn.
Aber der Reihe nach: als der Euro 1999 zunächst als Buchwährung eingeführt wurde, war er 1,17 US-Dollar wert. In den Folgejahren schwankten die Kurse der beiden Leitwährungen in einer großen Bandbreite. So erhielt man etwa gegen Ende 2001 für einen Euro nur mehr 0,85 Dollar. Reisen in die USA waren entsprechend kostspielig.
Dann folgten Jahre mit Höchstkursen bis zu über 1,50 Dollar im Frühjahr 2008. Für einen US-Dollar konnten amerikanische Gäste damals in Europa nur 65 Euro-Cent eintauschen. Als es dann im Gefolge der globalen Finanzkrise zur Euro-Staatsschuldenkrise kam, pendelte sich der Euro zum Dollar wieder bei einem Wert von 1,20 ein. Es grenzt im Rückblick an ein Wunder, dass die Gemeinschaftswährung damals nicht stärker eingebrochen ist.
Dennoch herrschte im Sommer vor zwei Jahren höchste Unsicherheit. Der Zusammenhalt der Eurozone stand ernsthaft in Frage und begann eine Flucht in andere Währungen und Immobilien („Betongold“) auszulösen. Erst als EZB-Präsident Mario Draghi ankündigte, die Europäische Zentralbank werde alles in ihrer Macht Stehende („Whatever it takes“) tun, um den Euro zu retten, gab das dem Euro neuerlichen Aufwind. Sein Gegenwert in Dollar stieg bis gegen 1,40 – so hoch, dass die europäische Exportwirtschaft darunter zu leiden begann. Währenddessen zielte die amerikanische Notenbank Fed mit ihrer Politik billigen Geldes bewusst auf eine Schwächung des Dollars, um damit die US-Konjunktur anzukurbeln. In Europa hingegen verzögerte die angezogene Währungs-Handbremse den erhofften Aufschwung.
Erst jetzt, endlich, beginnen sich die überhöhten Euro-Kurse wieder etwas abzuschwächen und versprechen Rückenwind für europäische Unternehmen und die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Was aber bekommen wir darüber in den Wirtschaftsmedien zu lesen? Der Euro gerate in eine Abwärtsspirale, heißt es da, er stürze auf ein Jahrestief, steuere vielleicht sogar auf einen Kurs zum Dollar von 1,20 zu. Nun, sollte diese Prognose eintreffen, wäre das jedenfalls kein Grund zur Klage (auf gut Wienerisch: kein „Gfrett“), sondern im Gegenteil ein überfälliger Etappensieg im verschwiegenen Währungskrieg mit dem Dollarraum und das wirksamste europäische Konjunkturprogramm seit langem. Wozu also die ganze Aufregung?
Übrigens: Josef Weinheber war literarischer Mittäter des NS-Regimes. Als Dichter jedoch hat ihn Marcel Reich-Ranicki, der im vergangenen Herbst verstorbene große Literaturkritiker, dessen Eltern und Bruder von den Nazis ermordet wurden, mit nobler Geste durch Aufnahme von vier seiner Gedichte in den „Kanon deutscher Lyrik“ rehabilitiert.
31. Juli 2014