Generationenbegriffe sind unzulässige Verallgemeinerungen – und doch umschreiben wir damit das Lebensgefühl bestimmter Altersgruppen. So ist für jene jungen Menschen, die rund um die Jahrtausendwende im Teenager-Alter waren – also die heute 18-30-jährigen – „Generation Y“ zur gängigen Bezeichnung geworden. Sie haben angeblich so viele Wahlmöglichkeiten wie nie zuvor – und doch schafft gerade diese Vielfalt an Optionen auch eine erhöhte Unsicherheit. Die Journalistin Kerstin Bund hat darüber ein ganzes Buch geschrieben und formuliert ihre Sorge so: „Es sind so viele Türen offen, dass man verabsäumt, durch eine zu gehen, weil man eine andere versäumen könnte.“
Zu dieser Qual der Wahl, nur rasch in die richtige Spur zu kommen, trägt der ständig steigende Lebenslauf-Druck einer Arbeitswelt bei, die alles zugleich und das sofort erwartet: einen oder möglichst mehrere Abschlüsse, zwei oder mehr Fremdsprachen, Praktika in renommierten Unternehmen und wenn geht auch noch Freiwilligenarbeit als Nachweis von Sozialkompetenz. Wer fragt da noch nach realistischen Wegen in ein erfülltes Berufsleben, das mehr bietet als klassische Karrierepfade?
Eine von mir moderierte OPEN-MINDS-Diskussion an der Wirtschaftsuniversität drehte sich um diesen Themenkreis. Zuerst kam Jugendforscher und Buchautor Philipp Ikrath zu Wort. Er ist skeptisch gegenüber dem Begriff der Generation Y, sieht bei seinen Altersgenossen viel eher eine „Generation Ego“ heranwachsen und warnt vor einer „Nicht-Gemeinschaft atomisierter Einzelwesen, die einzig mit Karriere, Konsum und der Arbeit am eigenen Selbst beschäftigt sind“.
Gleich nach ihm folgte die Verkörperung der Antithese zu diesem pessimistischen Bild in Person von Adib Reyhani. Nach Abschluss des Studiums und mehreren Jahren im Management entschied sich der gebürtige Wiener dafür, im Rahmen der Initiative „Teach for Austria“ an einer Integrationsschule zu unterrichten. An einer Neuen Mittelschule mit Kindern zu arbeiten, die mehrheitlich aus fremdsprachigen Familien und sozial schwierigen Verhältnissen kommen, erschien ihm trotz der mäßigen Bezahlung lohnend und sinnvoll. Im nächsten Schritt wird er sich selbständig machen und Schulen bei der Implementierung digitaler Lehrmethoden beraten. Man sieht ihm an, dass ihn die Lehrerfahrung menschlich reicher gemacht hat.
In seinem Lebenslauf wird das unter Sozialkompetenz („social skills“) zu verbuchen sein, einem bisher offensichtlich unterschätzten Bereich der Bildung. Denn Manager/innen werden zwar wegen ihrer Expertise ins Unternehmen geholt – gekündigt aber werden sie oft wegen mangelnder sozialer Kompetenz.
Am Ende des lebhaften Gedankenaustausches stand fest: diese Generation passt so wenig wie die vorangehende in irgendein Klischee. Sie ist aber jedenfalls kritischer gegenüber den traditionellen Karrieremustern und möchte Leben und Arbeit besser in Einklang bringen. Oder, in den Worten von Karin Bund: „Unser Statussymbol heißt Selbstbestimmung“.
05. Juni 2014