Das Bedürfnis, neue Wege in der Geldwirtschaft zu beschreiten, ist offensichtlich groß. Deshalb platzte das Audimax unter dem unerwartet großen Besucherandrang aus den Nähten, als die deutsche Privatuniversität Witten-Herdecke vor wenigen Tagen in Kooperation mit der Gemeinschaftsbank GLS zum ersten „Geldgipfel“ rief. Mit dem Tagungsmotto „Von der Energiewende zur Geldwende“ stellten die Initiatoren ganz bewusst eine Gedankenverbindung zu den Frühzeiten der Grünbewegung her. Denn so wie sich aus den Außenseiter-Ideen der ersten, couragierten Umwelt-Bewegten eine umfassende, in fast allen Parteien akzeptierte und von der Wissenschaft abgesicherte Umweltpolitik entwickeln konnte, sollen auch die kritischen Geldkonzepte von heute eine nachhaltige Erneuerung der aus den Fugen geratenen Finanzwelt vorantreiben.
Die Rezepte, die im Reform-Laden der „Geldverbesserer“ (© Europaabgeordneter Sven Giegold) angeboten werden, reichen vom Regionalgeld bis zum Vollgeld (Joseph Huber). Eine „Monetative“ als gewissermaßen „vierte Gewalt“ des Staates soll dafür sorgen, dass Geldschöpfung zu einem alleinigen Recht der Notenbanken wird. Allerdings stößt der Glaube an eine allwissende, staatsnahe Zentralbank selbst bei Vordenkern wie dem Schweizer Ökonomen Hans Christoph Binswanger auf Skepsis. Ihm schwebt stattdessen ein so genanntes 100%-Geld vor, das eine Deckung aller Einlagen von Sparern durch Notenbank-Reserven vorsieht. Auch das Versprechen der Vollgeld-Anhänger, aus den Erlösen des wiedergewonnen Notenbanken-Privilegs Staatsschulden abzubauen, verlor in der Diskussion an Überzeugungskraft.
Glücklicherweise gibt es jedoch eine ganze Reihe von Instrumenten, mit denen das entgleiste System kuriert werden kann, ohne gleich eine Totaloperation mit unberechenbaren Nebenwirkungen zu riskieren. Der Bogen reicht von einem deutlich höheren Haftungskapital von Banken über die Trennung des Investment-Bankings vom „normalen“ Banken-Geschäft („Trennbankensystem“) bis zur Regulierung der „Schattenbanken“. Auch die gemeinsame europäische Bankenaufsicht und der mit der Bankenunion geschaffene Mechanismus zur Einbeziehung der Gläubiger bei Pleiten großer Geldinstitute gehören zu diesen noch vor wenigen Jahren undenkbaren Eingriffen zur Heilung des 2007/8 beinahe letal verunglückten Patienten.
Der Nachteil dieser Regulierungsflut: die Kenntnis der Detailvorschriften droht wichtiger zu werden als Eigenverantwortung, die Nebenwirkungen der Über-Medikamentierung gefährden den Heilerfolg. Deshalb darf es in der nächsten Reformetappe nicht um noch mehr Details gehen. Denn für eine echte Geldwende, mit der uns weitere Großkrisen mit all ihren Folgekosten vom Leib gehalten werden, bedarf es einer grundlegend erneuerten Finanzmarktordnung, in der die Förderung von realwirtschaftlicher Wertschöpfung wieder klaren Vorrang vor spekulativer Geldschöpfung hat.
Auch wenn einige ihrer Konzepte nicht umsetzbar sein werden: es ist das Verdienst der Geldverbesserer, in diese Richtung Druck zu machen.
08. Mai 2014