die furche - 136

Ein Preis für Zivilcourage

 

Die Erkenntnis, dass sich die Rechenkapazitäten von Computern alle 18 Monate verdoppeln, kam Gordon Moore, dem Gründer des amerikanischen Halbleitererzeugers Intel vor fast einem halben Jahrhundert. Seither wird Informationsverarbeitung exponentiell billiger und Speicherkapazität in nie gekannten Dimensionen verfügbar. Die Leistungsfähigkeit einer kommerziellen Spielkonsole, die im Einzelhandel rund 400 Euro kostet, entspricht jener eines Großcomputers vor zwanzig Jahren, der damals einen Raum in Größe eines halben Tennisplatzes benötigte und einige Dutzend Millionen Dollar kostete.

Ähnlich steil verläuft die Innovationskurve im Bereich des Internets, das erst vor 25 Jahren von Tim Berner-Lee im Forschungszentrum CERN am Genfersee erfunden wurde. Dass wir dank wachsender Computer- und Netzpower mit jedem Mobiltelephon die Informationsspeicher des Globus abrufen können, ist uns längst selbstverständlich – eine digitale Revolution, die mittlerweile auf eine Stufe mit der Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg vor einem halben Jahrtausend gestellt wird.

Doch die Skepsis gegenüber den immer mächtigeren Technologien wächst mit ihrer Verbreitung. Schon lange bevor Edward Snowden enthüllte, wie der US-Geheimdienst NSA ohne jedes Unrechtsbewusstsein die Telefonate befreundeter Regierungen abhört, hat die „schöne neue Welt“ der allzeit verfügbaren Kommunikationsnetze Risse bekommen.

Nur wenige von uns werden sich allerdings mit der Empfehlung von Hans Magnus Enzensberger anfreunden wollen, die Flucht nach hinten anzutreten, Smartphones am besten wegzuwerfen, keine Mails mehr zu versenden und mit Bargeld statt mit Kreditkarte zu bezahlen. Denn der deutsche Großintellektuelle, dessen Gedichte ich in meiner Studienzeit so bewunderte, schaffte es mit seiner Verweigerungsthese zwar wieder einmal auf die Titelseiten der Feuilletons, brachte aber damit die Debatte über den richtigen Umgang mit der neuen Welt der BIG DATA nicht wirklich voran.

Eine der wirksamsten Aktivitäten in Richtung einer überfälligen neuen Verfassung für die Internet-Welt stammt hingegen von Max Schrems, jenem 27-jährigen österreichischen Juristen, der noch während seines Studiums den Mut hatte, es sich in Sachen Datenschutz mit Facebook anzulegen. Der von ihm mit der Plattform „Europe-vs-facebook“ gegen Goliath geführte Rechtsstreit zeigt Wirkung und hatte entscheidenden Einfluss auf den Inhalt der neuen europäischen Datenschutzgesetzgebung.

Unternehmen können demnach künftig Daten nur mehr nach ausdrücklicher Zustimmung durch die Nutzer verarbeiten oder an Drittstaaten weitergeben. Datenschutzrechte, die bisher ausschließlich im meist entlegenen Sitzland eines Internet-Konzerns einklagbar waren, können nun im eigenen Land geltend gemacht werden. Und die von Facebook geplante Gesichtserkennung von Fotos wird nicht zuletzt auf Druck des initiativen Österreichers in Europa verboten sein.

Gibt es einen europäischen Preis für Zivilcourage? Max Schrems wäre ein würdiger Kandidat dafür!

27. März 2014

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