Den letzten von bis dahin siebzehn Zahlungs-Stops einer US-Regierung gab es 1995. Erst nach 21 Tagen beendeten damals die Republikaner ihren Widerstand gegen den nervenstarken Präsidenten Bill Clinton. So lange darf der „government shutdown“ diesmal nicht dauern. Sobald nämlich am sechzehnten Tag die Budget-Decke von 16,7 Billiarden US-Dollar erreicht wird, potenziert sich das Problem. Bis zum Staatsbankrott wäre es dann nicht mehr weit. Eine höchst brisante Sachlage – selbst wenn die Katastrophe in letzter Minute vertagt wird.
Vordergründig lässt sich der Haushaltskonflikt entweder als Variante zum Geschichts-Klassiker „Die Torheit der Regierenden“ von Barbara Tuchman interpretieren – oder als „Amerikanisches Roulette“, wie dieses jüngste einer langen Serie riskanter Finanzmarkt-Spiele heißen könnte, die ihren Ursprung in den USA haben.
Erst bei näherem Hinschauen zeigt sich, vor welch brisanter Problemkulisse sich der erbitterte Streit abspielt, schwelt doch im Hintergrund eine noch lange nicht überwundene globale Finanzkrise weiter. Die hervorragenden Ökonomen des Internationalen Währungsfonds liefern dazu in ihrem aktuellen Finanzstabilitätsbericht eindrucksvolles Anschauungsmaterial und kommen zum ernüchternden Schluss, dass es vorläufig kein Patentrezept dagegen gibt.
Eine Kernursache der Finanzkrise war ungezügelte Kredit-Geldschöpfung und die damit verbundene Vermehrung heute uneinbringlicher Schulden. Internationale Großbanken und unregulierte Schattenbanken eröffneten immer neue Spielfelder mit spekulativen Finanzprodukten, ohne über ausreichende Risikopolster zu verfügen. Als dann höhere Leitzinsen eine sich abzeichnende Inflation verhindern sollten, trieben die höheren Kreditkosten viele Schuldner in die Zahlungsunfähigkeit und kapitalschwache Banken in den Ruin. Nach der Lehman-Pleite mussten die Staaten einspringen, um einen Zusammenbruch des Welt-Finanzsystems zu verhindern. Die Ansteckungsgefahren in einem globalisierten Finanzsystem ohne verbindliche Regeln war von allen Experten unterschätzt worden.
In der Folge pumpten die Notenbanken viel neues Krisen-Geld in die Märkte, verschossen ihr gesamtes Zinssenkungs-Pulver und schworen sich auf lang anhaltende Niedrigstzinsen ein, ohne damit in der Realwirtschaft die gewünschten Wachstumseffekte auszulösen. Nun gibt es aus der Nahe-Null-Zinspolitik keinen Rückweg mehr, weil die Schulden weiter steigen und höhere Kreditkosten weder von den Staaten noch von den Unternehmen verdaut werden könnten. Angesichts dieses Schulden-Trilemmas gegenseitig verstrickter Staaten, Banken und Firmen scheinen die konventionellen Behandlungsmethoden zu versagen. Deshalb wäre es so wichtig, Zeit zu gewinnen statt über immer wörtlicher zu nehmende „deadlines“ zu streiten.
Erstaunlich nur, dass ausgerechnet der oft krank geredete Euro in diesem Umfeld als Ruhepol wirkt und zugleich die Europäische Zentralbank schlüssiger zu agieren scheint als ihr amerikanisches Pendant.
17. Oktober 2013