die furche - 124

Ein Lebenszeichen lebendiger Demokratie

 

Die Wahrheit der Wahl vom vergangenen Sonntag lautet: die Koalition in ihrer bisherigen Form hat noch eine allerletzte Chance. Zugleich aber: die österreichische Demokratie lebt und ist um ein Stück lebendiger geworden.

2006 konnten sich die beiden Regierungsparteien noch eine Verfassungsmehrheit sichern. Sie nützten diese nicht etwa zur Umsetzung der Reform-Vorschläge des Verfassungskonvents. Und schon gar nicht für die Schaffung eines vernünftigen, minderheitsfreundlichen Mehrheitswahlrechts. Die Einigkeit reichte nur zur Verlängerung der Legislaturperiode von vier auf fünf Jahre – mit der verführerischen Begründung, so vor den jeweiligen Wahlkämpfen jeweils ein Jahr länger Sacharbeit betreiben zu können. Gleich darauf setzte jener unsinnige „Es reicht“-Wahlkampf ein, der 2008 beiden Koalitions-Kontrahenten massive Verluste einbrachte.

Der nächste Wahlkampf begann dann gefühlte vier Monate nach der Regierungsbildung. Er dauerte nun eben um ein Jahr länger. Für eine drastische Erhöhung der Parteienförderung fanden sich auch ohne Verfassungsmehrheit Partner im Parlament. Die Begründung dafür war an Zynismus schwer zu überbieten: jetzt, wo doch die – bis dahin stets geleugneten – verbotenen Großspenden entfallen müssten, wäre die offizielle Unterstützung eben anzuheben.

Soviel Realitätssinn hätte man sich an anderer Stelle gewünscht: etwa bei der Anerkennung der simplen demographischen Pensions-Wahrheit, dass das derzeit bei unter 60 Jahren liegende Antrittsalter bei immer höherer Lebenserwartung nicht aufrechtzuerhalten ist. Oder der Tatsache, dass bei steigender Frauenerwerbsquote Schulformen erforderlich sind, die Kindern ganztägige Ausbildungschancen geben. Vielleicht im Abtausch mit der Einsicht, dass moderate Studiengebühren, die in ein wirksames Stipendiensystem eingebettet sind, mehr Chancengerechtigkeit und höhere Studienqualität bedeuten würde.

Stattdessen verwandte man viel Energie darauf, gegeneinander ein Volksbegehren zur Abschaffung/Aufrechterhaltung des Bundesheeres zu inszenieren. Bei so viel Aufwand für den Nachweis, dass große Probleme ganz offensichtlich auch von Großen Koalitionen nicht ordentlich gelöst werden können, darf man sich nicht darüber wundern, dass sich diese Überzeugung zunehmend auch bei den Wählern gefestigt hat.

Das Ergebnis ist eine zersplitterte Parteienlandschaft mit immerhin einer erfreulichen Neuerscheinung: erstmals seit dem Einzug der Grünen 1986 hat mit den Neos eine Gruppierung, die nicht aus dem abgespaltenen Klub einer bestehenden Partei entstanden ist, vom Stand weg den Sprung ins Parlament geschafft. So wie einst vernachlässigte Umweltprobleme zur Gründung der Grünen geführt haben, formen nun die Neos aus dem Protest gegen Verkarstungen in der Bildungsfrage, verdrängte Sozialstaatsreformen und demokratiepolitisches Laschieren der machtverwöhnten Koalitionsparteien eine liberale Bewegung mit Bodenhaftung. Wenn die Großparteien klug sind, wachsen sie an dieser Herausforderung.

03. Oktober 2013

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