die furche - 118

Das Ende der Finanztransaktionssteuer

 

Anfang Oktober vergangenen Jahres schien der Durchbruch geschafft. Elf EU-Staaten – darunter auch Österreich – waren sich über die Einführung einer Finanztransaktionssteuer ab 2014 einig. Damit sollte sich der Finanzsektor an den enormen Kosten der Finanzkrise beteiligen, die sich immerhin auf mehr als 40 Prozent der gesamten europäischen Wertschöpfung summieren.

Die Einigung stand allerdings von Beginn an auf wackeligen Beinen, fehlten doch so wesentliche Details wie die Klärung der Besteuerungsbasis oder die Frage, wem die künftigen Einnahmen zukommen sollten: dem EU-Budget oder einzelnen Teilnehmerstaaten. Dieses konzeptionelle Vakuum nützten die Gegner der Steuer für massive Gegenpropaganda: sie sei wachstumsdämpfend, schädlich für die Unternehmerwirtschaft und schlecht für die private Pensionsvorsorge.

Den letzten argumentativen Gegenschlag setzte jüngst die Investmentbank Goldman Sachs mit der Behauptung, die neue Steuer gefährde den Liquiditätsausgleich zwischen den einzelnen Banken und der Notenbank und träfe damit das europäische Bankensystem ins Mark. Ein konstruierter und völlig unplausibler Sachverhalt, wie zuletzt Finanzökonom Stefan Schulmeister zeigte. Dennoch schaffte es die als „Geheimstudie“ ausgegebene, unbemannte Experten-Drohne in die höchste mediale Aufmerksamkeitsstufe und erreichte treffsicher ihr wichtigstes Ziel: die Verschiebung der ursprünglich für Anfang 2014 geplanten Einführung der neuen Steuer – wohl auf den Nimmerleinstag.

Der litauische EU-Finanzkommissar Algirdas Semeta beschwichtigte: wohl habe man es im Bereich der Banken und Finanzinstitutionen mit der mächtigsten Lobby der Welt zu tun. Aber man werde nicht aufgeben und das Projekt vorantreiben. Sein Wort in Gottes Ohr.

Nicht nur bei mir festigt sich der Eindruck, die EU-Kommission überspiele ihre Machtlosigkeit in derart zentralen Fragen mit einer Dreifachstrategie von Eifrigkeit in belanglosen Details (ob wir künftig bei unserem Italiener Olivenöl aus wiederverschließbaren Gefäßen auf die Pasta träufeln dürfen), Kraftmeierei in ohnehin schon verlorenen Angelegenheiten (etwa durch die wertvernichtende Vorgabe von Verkaufszeitpunkten für Hypo-Alpe-Adria-Tochterbanken) und überbordender Regulierungswut.

So verfehlt das Banken-Regelwerk von Basel III das zentrale Ziel einer größeren Stabilität des Finanzsystems, verzettelt sich aber in heilloser Verbürokratisierung und schädigt das klassische Kreditgeschäft der Banken. Obwohl es zu dieser Einsicht keiner Geheimstudie bedarf: Argumente zugunsten der „Realwirtschaft“ scheinen gegenüber jenen der globalen Großbanken-Lobby kein Gewicht zu haben.

Der Philosoph Robert Pfaller meinte kürzlich, die vordringlichste politische Aufgabe bestehe darin, Regelungen durchzusetzen, „damit die Irrationalität der Finanzmärkte nicht weiterhin Millionen Menschen in Europa in die Armut treibt und eine ganze Generation ihrer Zukunftsperspektive beraubt“. Die Finanztransaktionssteuer hätte gut in dieses Konzept gepasst. Schade drum.

27. Juni 2013

download