„Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“: Der verführerische Titel der wunderbaren Jugenderinnerungen von Burgtheater-Star Joachim Meyerhoff scheint zum Leitsatz populistischer Krisen-Erklärer zu werden. Mit weit ausholender Geste postulieren sie, früher sei alles besser gewesen. Nur die Aktionen böswilliger oder bestenfalls ahnungsloser Politiker/Notenbanker/Spekulanten trennten uns vom natürlichen Zustand prästabilisierter Harmonie.
Da behauptet einer der angesehensten Nationalökonomen des Landes beim mittäglichen Vortrag im Nobelhotel, all die Krisenintervention der Europäischen Zentralbank mitsamt den Rettungspaketen seien nichts als ein großer Gesetzesbruch. Mit der Schaffung von Schutzschirmen gegen den Zusammenbruch der Euro-Währung habe man das Prinzip des „No Bailout“, mit dem seinerzeit direkte gegenseitige Budgethilfe von Euro-Ländern ausgeschlossen wurde, verletzt und das sei unverzeihlich. Die hohen Folgekosten eines starren Festhaltens am ursprünglichen EZB-Auftrag verschweigt er.
Andere Krisenerklärer rufen nach demokratischer Legitimation der EZB und beklagen zugleich deren mangelnde Unabhängigkeit. Wieder andere erklären unlimitierte Staatsverschuldung zum Rezept des Tages oder verheddern sich in Verschwörungstheorien der Weltfinanz.
Dazu kommen Analysten und professionelle Geldverwalter mit der Behauptung, das aktuelle Hauptübel sei die so genannte „finanzielle Repression“. Sparern und Anlegern schadeten die niedrigen Zinsen, die Inflation knabbere bei risikolosen Veranlagungen an der Substanz. Die Höchstkurse an den Börsen signalisierten nur die Flucht aus niedriger Geldverzinsung und seien nichts als ein betrübliches Vorzeichen der nächsten spekulativen Blase, an der man aber mitverdienen sollte, bevor sie platzt.
Die allgemeine Verunsicherung scheint so groß, dass positive Meldungen wie sinkende Anleihezinsen für südliche Euro-Länder, eine nach drei Jahren erstmals wieder unter zwei Prozent gesunkene Inflationsrate oder die beste österreichische Leistungsbilanz seit langem schlichtweg ignoriert werden. Ebenso ausgeblendet wird die Erinnerung an höchst unerfreuliche Wirklichkeiten früherer Jahrzehnte: von hoher (über 7%-iger) Inflation in den Siebzigern über extreme (über 10%-ige) Kreditkosten in den Achtzigern bis hin zu den permanenten Abwertungen europäischer Konkurrenzländer, die noch in den frühen Neunzigerjahren viele Arbeitsplätze kosteten. Ganz zu schweigen von der einschnürenden Grenzlage Österreichs am politisch unfreien, staatswirtschaftlichen Ostblock, als noch niemand von Ostöffnung und Globalisierung zu träumen gewagt hätte. Alles schon vergessen?
Manchmal wünsche ich mir, der großartige Stéphane Hessel hätte seinem „Empört Euch!“ ein ebenso apellatives „Informiert Euch!“ vorangestellt. Dann fiele die notwendige Diskussion über den richtigen Genesungspfad aus der Geldschöpfungs-Krise wohl konstruktiver aus, als sie das derzeit tut. Denn so schön, wie es nie war, wird es lange nicht mehr werden.
29. Mai 2013