„Weihnachten verliert an Glanz“ titelte etwa zwei Wochen vor Beginn des Advents eine renommierte Wirtschafts-Tageszeitung. Dass man sich gerade dort Sorgen um den Geist von Weihnachten machen sollte, weckte meine Neugier. Bei näherem Hinschauen entdeckte ich allerdings eine – vielleicht sogar beabsichtigte – semantische Täuschung: mit dem Glanz-Verlust war nämlich nicht jener in Kinderaugen vor Christbäumen gemeint, sondern eine befürchtete Schwäche des bevorstehenden Weihnachtsgeschäfts. Dessen prozentueller Anteil am Handelsumsatz des Gesamtjahres sei nämlich gegenüber den Fünfzigerjahren(!) erkennbar zurückgegangen. Dass der Grund für diesen relativen Rückgang in einem seit damals stark angestiegenen Wohlstand liegt, verschwieg der glanzlose Text. Stattdessen berichtete er von „Verknappungs-Marketing“ und einer künstlichen Verlängerung der Weihnachtszeit als Gegenstrategien zur Steigerung der Kauflust.
Aber derlei Gedankenlosigkeiten können mitsamt all den Aufregern eines angeblich dem Konsumismus verfallenen Advents der Substanz von Weihnachten nichts anhaben. Irgendwann kommen die zeitlosen Momente, Stunden und Tage, an denen wir auf das zurückkommen, was uns wirklich wichtig ist. Dann müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass die Zeit, die wir hatten, wieder einmal zu Ende geht und dürfen zugleich dankbar registrieren, dass uns immer wieder ein Neubeginn offensteht.
Eine wunderbare, vorweihnachtliche Wiedergabe der „Schöpfung“ durch Chor und Orchester der Universität Wien machte mir diesen Zusammenhang bewusst. Joseph Haydn ruft mit seinen schönsten Tonsätzen in Erinnerung, was mit uns beabsichtigt ist. Zugleich erzwingt seine Musik das demütige Eingeständnis, dass wir der uns zugedachten Rolle erst in Ansätzen genügen. Er orchestriert den mit elementaren Andeutungen auskommenden Text der Schöpfungsgeschichte so anschaulich, dass wir begreifen können, ohne zu verstehen.
Es gibt Stellen in diesem Werk, da verliert man sich tagträumerisch in der Vorstellung, es dem Recht machen zu wollen, der am Ende jedes anstrengenden Schöpfungstages sagen kann „Und es war gut“. Man hofft, dass er sich mit uns nicht verspekuliert hat, weil er von uns zu viel erwartet. Man hofft, dass er übersieht, wie wir unter unseren Möglichkeiten bleiben, wie wir mitunter seine Schöpfung gefährden, Lebens-Werte aufs Spiel setzen. Die weihnachtliche Begegnung mit dem neugeborenen Kind und seiner großen Zukunft, von der noch niemand etwas ahnt, wird dann zum großzügigen Beweis dafür, dass er uns bei aller Unvollkommenheit noch nicht aufgegeben hat.
Nach dem Chorkonzert, aus dem Tagtraum erwacht, war ich mir mit einem Mal wieder sicher, dass es in unserer Verantwortung liegt, entgegen der in der Systemkrise zunehmenden Orientierungslosigkeit, zu den naheliegenden Lösungen kommen, die unser Wirtschaftssystem mit Mensch und Umwelt versöhnen und denen, die nach uns kommen, ihre uneingeschränkte Chance auf ein geglücktes Leben lassen.
20. Dezember 2012