die furche - 84

Da und dort verkommen

 

Im Kielwasser der Korruptions-Affären verschlechtert sich das Meinungsklima gegenüber den wirtschaftlichen und politischen Eliten dramatisch. Aber statt sich um besondere Redlichkeit bei der Aufarbeitung dieser Themen zu bemühen, gießen die Parteien noch Öl ins Feuer, indem sie die Medienbühne des parlamentarischen Untersuchungsausschusses für ihren permanenten Wahlkampf nützen und kaum eine Gelegenheit auslassen, das Personal des politischen Gegners zu beschädigen.

 

Unter solchen Umständen wird der legere Herr Hochegger zum lachenden Dritten. Er brachte Namen von Menschen in Umlauf, von denen er in einer plumpen Entlastungsoffensive behauptete, sie hätten alle für ihn gearbeitet. Den Parteisekretariaten gab das die Gelegenheit, bisher Unbescholtene der Vernaderung preiszugeben. Für den Kollateralschaden solcher Aktionen müssen sie ja nicht aufkommen.

 

Auf diese Weise wurde auch Monika Langthaler, bis 1999 Abgeordnete der Grünen und seit damals erfolgreiche Beratungs-Unternehmerin, von Mitgliedern des Untersuchungsausschusses wider besseres Wissen in einen korruptiven Zusammenhang gebracht. Die rufschädigenden Abgeordneten genießen Immunität, Frau Langthaler hingegen muss nun tage- und wochenlang um ihre Reputation kämpfen.

 

Bringt noch irgendjemand normale Instinkte auf, für die man keine Medienberater braucht? Etwa eine Entschuldigung an Frau Langthaler. Oder eine längst überfällige Abgrenzung von den üblen Machenschaften des ehemaligen Finanzministers, der die Reputation jener Partei, deren Obmann er beinahe einmal geworden wäre, ununterbrochen neu beschädigt. Die große Mehrzahl der anständigen, in der Politik engagierten Menschen verdient sich hier wesentlich klarere Grenzziehungen.

 

„Moralisch war manches nicht in Ordnung, aber ich habe keine Gesetze verletzt“ – so ähnlich lautete Hocheggers Satz, mit dem nun alles relativiert werden soll. Als würden strengere Gesetze daran etwas ändern, dass jegliches soziales Gebilde auf Dauer nur durch eine Orientierung an den Geboten des Anstands und der Eigenverantwortung funktionieren kann.

Eine Welt, in der sich Alle Alles erlauben, was gerade nicht ausdrücklich verboten ist, wäre eine darwinistische Welt des Zynismus, ohne Solidarität und ohne Platz für unschätzbar wertvolle Dinge, die keinerlei Geldwert haben.

 

Vor wenigen Tagen erst sprach ich als Aufsichtsrat der Telekom Austria mit jenem neu aufgenommenen „Compliance“-Verantwortlichen, der nun die innere Verfassung dieses Unternehmens wieder in Ordnung bringen soll. Auf meine Frage, ob er sich das mit einem neuen Regelwerk denn zutraue, meinte er: entscheidend würden nicht die neuen Regeln sein, entscheidend werde sein, ob es gelingt, Integrität wieder zum obersten Wert zu machen.

 

Gleiches gilt in Wirklichkeit auch für die Ebene der Politik: nicht neue, noch so fein ziselierte Anti-Korruptionsgesetze werden das Land nach vorne bringen, sondern ein beherzter Neustart unserer da und dort ziemlich verkommenen politischen Kultur.

8. Februar 2012

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