die furche - 59

Nicht zurückbleiben bitte

 

Zurückbleiben bitte, Zug fährt ab: Wer in Wien mit der U-Bahn fährt, kennt diese nachdrückliche Aufforderung. In der letzten Zeit fällt mir dazu immer öfter der lähmende politische Reformstau ein. Eine abgewandelte Version der Lautsprecherdurchsage wird dann zum eindringlichen Weckruf an die Politik: „Zug fährt ab – Nicht zurückbleiben bitte!“.

 

Zuletzt führte die latente Entscheidungsschwäche zum Aufschub der Generalsanierung des Parlamentsgebäudes. Offiziell, weil noch Voruntersuchungen zu einer genaueren Abschätzung der Baukosten notwendig sind und sich der Rechnungshof mit nachvollziehbaren Argumenten dagegen wehrt, schon während des Umbaus zu kontrollieren. Möglicherweise liegt der eigentliche Grund aber in der politischen Angst, das auf etwa 300 Mio Euro geschätzte Projekt vor Opposition und Krone rechtfertigen zu müssen.

 

Vielleicht erleichtern die folgenden Relativierungen die Entscheidung: das neue Terminal des Wiener Flughafens wird dreimal so viel gekostet haben. Gleich viel – etwa 900 Mio Euro – ist uns der neue Hauptbahnhof wert. In die neue Wirtschaftsuniversität werden bis zu ihrer Eröffnung im Jahr 2014 490 Mio Euro investiert. Und vor wenigen Tagen erst gab die Bank Austria bekannt, ihre neue Zentrale auf dem Gelände des ehemaligen Nordbahnhofs zu errichten – eine Investition, die mit 280 Mio Euro etwa jener des sanierten Parlaments gleichkommt. Offensichtlich werden derlei Vorhaben in Unternehmen zügiger entschieden als wenn es um das Hohe Haus geht.

 

Die Akzeptanz des Vorhabens könnte überdies steigen, wenn die politischen Parteien ebenfalls bereit wären, einen Teil der Umbaukosten zu tragen. Nein, nicht durch Kürzung der Parteienförderung. Sondern durch eine Gesetzesänderung, mit der sichergestellt wird, dass es den Anspruch auf Rückerstattung der Wahlkampfkosten in Zukunft nur einmal pro Legislaturperiode gibt. Es lässt sich leicht nachrechnen: allein die beiden vorgezogenen Wahlkämpfe 2002 und 2008 haben zusammen 25 Mio Euro gekostet. Bei einer lediglich aliquoten Abgeltung hätten wir uns die Hälfte davon erspart. 

 

Derzeit wird ja der Wahlkampf-Erstattungstopf für jede (auch vorzeitige) Wahl neu aufgefüllt. Die chronisch finanzschwachen Parteien profitieren von dieser Regelung und setzen in der spekulativen Annahme, die politischen Gegner durch einen erfolgreichen Wahlkampf auszustechen, neben der Wahlkampfentschädigung auch auf höhere laufende Entschädigungen aus dem Steuertopf.

 

Parteien, die mehr Energie auf gegenseitige Erschöpfung als auf konstruktive Arbeit verwenden, sollten aber nicht darauf hoffen dürfen, für das Vorziehen von Wahlen auch noch belohnt zu werden. Wenn eine Neuwahl nach nur zweieinhalb von fünf Jahren künftig nur die Hälfte des für eine volle Legislaturperiode vorgesehenen Kostenersatzes bringt, wird man sich eine Beendigung der Zusammenarbeit besser überlegen. Mit einer solchen Neuregelung würden die politischen Parteien jene Ernsthaftigkeit und jenes Selbstbewusstsein zeigen, mit dem sie bald auch an die Erneuerung ihrer Arbeitsstätte am Ring schreiten sollten.

download