die Furche - 57

(K)ein Grund zum Klagen

 

Nun klagen sie wieder. Nein, nicht wegen der Zustände an den Finanzmärkten oder drohender Kapitalknappheit. Österreichs Banken legen beim Verfassungsgerichtshof vielmehr Beschwerde gegen die neue Wertpapierbesteuerung ein. Ihre Begründung: die Administrationskosten seien im Verhältnis zum erwartbaren Ertrag zu hoch. Ich finde diese Klage – gelinde gesagt – unangemessen. Derartiges muss sich auch ohne Höchstgerichte klären lassen. Immerhin hat die Republik den Banken während der Finanzmarktkrise tatkräftig unter die Arme gegriffen. Zudem ließe sich durch Vereinfachungen der Banken-Regulierung bedeutend mehr an Geld einsparen, als die neue Steuer kostet.

 

Es gibt überdies konstruktivere Anliegen, um die zeitgerecht zu kämpfen sich lohnen würde. Etwa die sich abzeichnende Weichenstellung der Justiz in Richtung strafrechtlicher Verfolgung von Management-Fehlern durch die geplante Schaffung eines eigenen Bilanzstrafrechtes. Es soll künftig Vorstände, Aufsichtsräte und Abschlussprüfer mit Gefängnisstrafen belegen, wenn die von ihnen vorgelegte Bilanz in wesentlichem Ausmaß „nicht richtig“ ist – und zwar auch ohne Fälschungsabsicht oder schuldhaftes Verhalten.

 

Dazu muss man wissen, dass das früher gültige Vorsichtsprinzip in den Bilanzen von Großunternehmen längst aufgegeben wurde. Das kapitalmarktorientierte Bilanzrecht sieht stattdessen eine Unzahl von Wahlrechten und Gestaltungsmöglichkeiten vor. Die Orientierung an Marktwerten führt zu stark schwankenden Einschätzungen aller Vermögenswerte. Dazu kommt die zwingende Einbeziehung von gerade in Krisenzeiten unsicheren Zukunftserwartungen. Wer über das Jahr 2008 eine Bilanz zu erstellen hatte, mitten in der Zeit nach der Lehman-Pleite, bei einbrechender Konjunktur, kann davon ein Lied singen, wie objektiv das Bilanzbild über eine so turbulente Periode ausfällt.

 

Ein Bilanzstrafrecht, das vermeintlich falsche Bilanzen mit Gefängnisstrafen ahndet, wäre deshalb ein fataler Schritt in Richtung Kriminalisierung des Wirtschaftens. Anzeigen – auch wenn sie anonym sind – würden von einer schon heute überlasteten Justiz an den kleinen Kreis der immer gleichen Sachverständigen weitergereicht, die auch im Hauptverfahren Gerichtsgutachter sind. Die gerichtliche Klärung würde viele Jahre dauern, während derer die Betroffenen – ob Vorstände, Aufsichtsräte oder Abschlussprüfer – von den Medien als „Beschuldigte“ geführt werden dürften. Gegen die damit verbunden Rufschädigung hilft dann auch die „Unschuldsvermutung“ nicht mehr. Unter solchen Voraussetzungen noch Management-Verantwortung zu übernehmen oder ein Prüf-Testat abzugeben, würde zum kaum vertretbaren Risiko.

 

Deutschland schlägt hier den klügeren Weg ein, indem zuerst eine externe Prüfstelle Bilanzbeschwerden nachgeht, bevor in Einzelfällen eine Weiterleitung an die Finanzmarktaufsicht oder auch an die Staatsanwaltschaft erfolgt. Diese pragmatische Lösung rechtzeitig auch für Österreich durchzusetzen, schiene mir ein lohnenderes Anliegen als trotziges Klagen gegen die Republik.

 

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