die furche - 5

Für eine neue Wirtschaftsjustiz

 

Während Sie diese Kolumne lesen, arbeitet unsere künftige Justizministerin mit hoher Wahrscheinlichkeit gerade am Text ihrer Urteilsbegründung im BAWAG-Prozess. Wenn er dann fertig ist, wenige Tage vor der Angelobung, wird der Urteilsspruch bereits mehr als ein halbes Jahr zurückliegen.

Nach dem erstinstanzlichen Urteil wird sich die Sache erst recht ziehen. Neue Richter, die nicht aus dem Fach kommen, werden sich einzuarbeiten haben und neue Sachverständige zu Rate ziehen. Findet sich irgendein Prozessmangel, der zur Wiederaufrollung zwingt, können bis zur endgültigen Rechtskraft der Urteile dann noch Jahre vergehen.

Auch in anderen Fällen mit potentiell strafrechtlicher Dimension mahlen die Mühlen der Justiz langsam oder gar nicht. Die Vorgänge in jenen Immobiliengesellschaften, die binnen weniger Monate von Ruhmesblättern der Wiener Börse zu Schandflecken des Finanzplatzes wurden, bleiben bis heute ohne Aufklärung. Es verstärkt sich der Eindruck, dass Wirtschaftsvergehen („white collar crime“) als Kavaliersdelikte der gehobenen Art nur halbherzig verfolgt werden.

Weil die allzu verbreitete Handlungsmaxime „Erlaubt ist alles, was nicht ausdrücklich verboten ist“ dazu verleitet, die Grenzen der rechtlichen Gestaltung  bis ins Extrem auszureizen, ist das ein untragbarer Zustand.  

Man muss nicht wie Frau Bandion-Ortner über eine ganze Sammlung ungewöhnlicher Brillen verfügen, um in erschreckender Deutlichkeit zu erkennen, dass unsere bisher mit Wirtschafts- und Finanzstrafsachen befassten Institutionen von ihrer Anlage her heillos überfordert sind. Instrumente der Rechtspflege, die sich im 19.Jahrhundert bewährt haben mögen, sind stumpfe Waffen im Kampf gegen Wirtschaftsvergehen im gesellschafts- und steuerrechtlichen Dickicht von heute.

Wirksame Verfolgungs- und Rechtssicherheit wird es deshalb nur geben, wenn wir uns zur Schaffung einer neuen Wirtschafts-Strafgerichtsbarkeit entschließen. In ihr wären exzellent ausgebildete Damen und Herren aus den Berufsfeldern der Wirtschaftsprüfer und Anwälte aktiv, die nicht auf Sachverständige angewiesen sind, um zu eigenständigen Urteilen zu kommen. Sie sind teamorientiertes, termingenaues Arbeiten an komplexen Materien gewöhnt, weil sie beispielsweise bei anspruchsvollen Kauftransaktionen von Unternehmen Erfahrung sammeln konnten. Ein eigenständiger, gestraffter Handlungsmodus gäbe ihnen die Möglichkeit, bei Akutfällen – und darum handelt es sich fast immer – rasch zu intervenieren.

Die Einrichtung einer schlagkräftigen Spezialgerichtsbarkeit für Wirtschafts-Strafsachen wäre die wirksamste Abschreckung gegen potentielle Bilanzkriminelle und gleichzeitig der beste denkbare Anlegerschutz . Die Schaffung einer solchen dringend benötigten Einrichtung könnte eine der ersten Initiativen der Frau Justizministerin sein. Schon deshalb wünschen wir ihr viel Erfolg bei der Endausfertigung des BAWAG-Urteils.

Dezember 2008

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