die furche - 39

“Intelligent Design” gegen die Krise

 

Noch zu Beginn des Jahres fühlte sich Lord Blankfein, der CEO von Goldman Sachs, kräftig missverstanden, als man kritisch auf seine marktreligiöse Äußerung reagierte, die Investmentbanker erfüllten mit ihrem Tun in einem gewissen Sinn sogar „Gottes Auftrag“. Mittlerweile hat die amerikanische Börsenaufsicht gegen seine Bank Anklage erhoben. Der äußerst irdische Vorwurf lautet auf betrügerische Übervorteilung von Anlegern, welche in Wohnbaukredit-Bündelanleihen investierten, die sich schon wenige Monate danach als wertlos erwiesen. Was sie nicht wissen konnten: die den Anleihen zugrundliegenden Risiken wurden von einem Hedge-Fonds ausgesucht, der mit dem Wissen der Bank auf deren Wertlosigkeit und nachfolgenden Kursverfall setzte.

 

Niemand zweifelt daran, dass es sich bei Goldman Sachs nur um einen ersten, exemplarischen Anlassfall handelt. Auch andere Investmentbanken agierten methodisch im Mainstream jener Geldvermehrungskunst, die sich alles erlaubt, was nicht ausdrücklich verboten ist.

 

Das fünfköpfige Gremium der Börsenaufsicht, das über die Anklage zu entscheiden hatte, fällte eine knappe Entscheidung: drei Vertreter der Demokraten gegen zwei der Republikaner. So wurde der Fall gerade noch rechtzeitig gerichtsanhängig, um das US-amerikanische Ringen um eine Finanzmarktreform zu beeinflussen. Zuletzt waren die Lobbyisten der Finanzwirtschaft von ihrer mehrheitlichen Unterstützung der Demokraten in der späten Bush-Ära wieder auf großzügige Zuwendungen an die oppositionellen Republikaner umgeschwenkt, was die Reform-Ambitionen Obamas bereits zu gefährden schien.

 

Unverhohlenes Ziel der Power-Lobbyisten ist die Verhinderung einschneidender Finanzmarktreformen, allen voran der Wiedereinführung der Trennung risikoreicher Investmentbanken von den Geschäftsbanken sowie Einschränkungen des riskanten Eigenhandels. Beides soll die Wiederholung einer Situation verhindern, in der mit dem Argument des „Too big to fail“ den Steuerzahlern die Spekulationsrisiken des Finanzsystems aufgelastet und ganze Volkswirtschaften zu Geiseln der Finanzwirtschaft werden. Die Gegner der Reform haben sich mit dem martialischen Wort „Zerschlagung“ aufgerüstet. Dabei will das Trennbankenkonzept nichts anderes, als das Finanzsystem wieder auf jene Kernfunktionen zurückzuführen, die der Realwirtschaft dienlich sind.

 

Die Liberalisierung der Finanzwirtschaft ist übers Ziel hinausgeschossen, der Anspruch auf Selbstregulierung der „dysfunktionalen Kybernetik der Finanzwirtschaft“ (Peter Sloterdijk) ist gescheitert. Wir wissen heute, dass die Wirtschaftskrise nicht nur ein moralisches Versagen Einzelner, nicht nur ein kollektives, herdentriebartiges Versagen Vieler, sondern vor allem ein Systemversagen war. Und wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass dieses Systemversagen mit einer fundamentalen Krise der herrschenden volkswirtschaftlichen Theorie zu tun hat. Die Suche nach einem „intelligent design“ der neuen Finanzmarktarchitektur darf aber nicht wieder den Vertretern der Finanzbranche alleine überlassen werden.

 

 

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