die furche - 27

Nach dem Zorn: Ein neues Gesamtkonzept

 

Beim Nachdenken über die Situation der Universitäten fällt auf, dass unsere Hochschulpolitik seit Jahren nur selten der Logik eines schlüssigen Gesamtkonzeptes folgt. Ausnahmefälle wie die Stärkung der Hochschulautonomie durch das Universitätsorganisationsgesetz bestätigen die Regel.

 

Ausgewählte Beispiele für die offenkundige universitätspolitische Sprunghaftigkeit: Die überfallsartige Einführung von – im Grunde sinnvollen – Studiengebühren und deren ebenso überfallsartige Abschaffung kurz vor der letzten Wahl. Die Kapitulation vor widersinnigen EU-Spielregeln betreffend die unbegrenzte Aufnahmepflicht von Student/innen aus dem Ausland – egal, wie die Studienbedingungen in deren Herkunftsland aussehen. Die notwendige, aber wohl übers Ziel geschossene Reform universitärer Laufbahnprofile. Die Umsetzung der dreistufigen Bologna-Architektur ohne voraussetzende Maßnahmen im Arbeitsmarkt.

 

Auch die Gründung der postgradualen Forschungsstätte ISTA in Gugging zählt für mich zu den konzeptiven Bocksprüngen. Diese ob der Standortwahl zunächst vor allem landespolitisch bedeutsame Einrichtung von erhoffter künftiger Weltgeltung signalisierte nämlich durch die missverständliche Ausschilderung als „Eliteuniversität“ die Nachrangigkeit der bestehenden Universitäten gegenüber dem medienwirksamen Prestigeprojekt.

 

Und nun eben der bockige Streik der von all diesen Entwicklungen überforderten Studierenden. Zwar ist es ihnen bis jetzt einigermaßen gelungen, die ideologischen Trittbrettfahrer des Protestes im Zaum zu halten. Ihr spontaner Zorn auf die erlebbare Konzeptlosigkeit wird allerdings erwartungsgemäß parteipolitisch instrumentalisiert. Dabei kommen alle Argumentations-Stereotypen zum Zug, die das widersprüchliche Reform-Geschehen der letzten Jahre geprägt haben.

 

Im Vordergrund steht die Forderung nach gänzlich unbeschränktem, freiem Hochschulzugang in Verbindung mit dem trotzigen Bestehen auf der vollständigen Zweckfreiheit jeglichen Studierens, wie es von der Hochschülerschaft mit traumtänzerischer Entschiedenheit propagiert wird. Diese angesichts der Uni-Realität und der Arbeitsmarktsituation geradezu makabre Irreführung blockiert jeglichen Ansatz einer qualifizierten Diskussion über Studieneingangsvoraussetzungen, wie sie an jeder Fachhochschule und für jede andere post-sekundäre Ausbildung längst bewährte Praxis sind. Auch werden erste sichtbare Erfolge der Eingangsprüfungen an den Medizinuniversitäten geflissentlich ignoriert.

 

Die nun angestossene Reformdiskussion wird jedenfalls nur dann erfolgreich sein, wenn alle Teilnehmenden bereit sind, das gesamte post-sekundäre Ausbildungssystem ohne Scheuklappen neu zu sehen. Denn abseits der Illusion unlimitierter Ressourcen für Massenuniversitäten gibt es eine Fülle an Möglichkeiten, für anspruchsvolle, zielführende, sinnerfüllte Qualitätsausbildungen nach der Matura zu sorgen. Wenn am Ende als Frucht des studentischen Zorns ein Gesamtkonzept vorliegt, wird auch die Finanzierung aufzutreiben sein.

 

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