die furche - 263

Escape-Räume gegen Denkblockaden

Der Escape-Room zwingt alle Mitspieler zur Suche nach gemeinsamen Lösungen in begrenzter Zeit - vielleicht ein Modell gegen politische Denkblockaden!

Bis vor kurzem wusste ich nicht, was ein „Escape-Room“ ist. Erst seit zu Anfang dieses Jahres eine Nachricht über fünf junge Menschen in Polen zu lesen war, die tragischerweise in einer dieser Vergnügungsstätten wegen eines versperrten Notausganges verbrannt waren, achte ich auf Meldungen zu diesem sonderbaren Zeitphänomen. Tatsache ist, dass sich immer mehr klaustrophile Mitmenschen freiwillig und gegen gutes Geld in mehr oder weniger originell dekorierte Extraräume einschließen lassen, um sich dort fiktiven Bedrohungen aller Art auszusetzen.

Die Teilnehmer dieses urbanen Survival-Trainings kämpfen darum, innerhalb der ihnen eingeräumten Spielzeit durch schlaue Strategien ihrem Untergang zu entkommen. Allein in Wien rittern mittlerweile schon mehr als ein Dutzend Escape-Room-Betreiber um abenteuerlustiges Publikum, das sich mit seinen Tauchgängen in fiktive Rätselwelten den ultimativen Adrenalin-Kick oder wenigsten prickelnde Abwechslung verschaffen will.

Wozu all die inszenierte Ausweglosigkeit? Beruhigt die Gewissheit, drohenden  Katastrophen letztlich immer entrinnen zu können, weil es sich ja doch nur um ein Spiel handelt? Oder reizt an diesen Fluchträumen, dass der Besuch in einer artifiziellen Parallelwelt vorübergehend die immer komplexer werdende Wirklichkeit vergessen lässt?

Vielleicht sind „Escape-Rooms“ aber auch Modelle zur Bewältigung eben dieser Wirklichkeit, in der uns ja doch niemand weiterhelfen kann als wir selbst; so etwas wie Übungsräume mit Spielanordnungen aus dem realen Leben. Wenn das so ist – wäre es dann nicht höchst reizvoll, die Grundidee eines Spiels, in dem sich erlernen lässt, wie man unter Druck zu gangbaren Auswegen findet, auf den politischen Raum anzuwenden?

Ich denke da beispielsweise an einen Escape-Raum im Untergeschoß des Westminster Palace für die in ihren strategischen Planspielen heillos verhedderten britischen Unterhaus-Abgeordneten. Oder an für dieses Spiel geeignete Räume im Souterrain des Kommissionsgebäudes in Brüssel, in denen die Mitglieder des Europäischen Rates darum ringen können, noch vor den Wahlen zum Europaparlament überzeugende Konzepte für die nächsten Ausbauschritte des europäischen Projekts zu entwickeln. Längst überfällig auch ein „Escape-Room“ für Europas Finanzminister, die es bisher mit der Bekämpfung von Steuerbetrug nicht wirklich eilig haben und stattdessen gesamteuropäische Digital- und Finanztransaktionssteuern auf unendlich lange Bänke schieben. Oder für Notenbanker, damit sie die Chance bekommen, endlich aus ihrer Null-Zins-Nummer herauszukommen.

In der Himmelpfortgasse schließlich sollte noch Platz sein für einen innerösterreichischen Escape-Room, der sich erst dann öffnet, wenn endlich ernsthafte Aufklärung jener Cum-Ex-Geschäfte Platz greift, die den österreichischen Steuerzahler nicht – wie jahrelang behauptet – nichts, sondern satte 183 Millionen Euro gekostet haben.

Je mehr Spielvarianten sich auftun, desto klarer wird: ich muss das irgendwann selbst ausprobieren! 

21. März 2019

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