die furche - 261

Ein schöpferischer Ökonom

Unkonventionelle Denker, die aus den allzu modellhaften Erklärungs-mustern der “Mainstream”-Ökonomie ausbrechen, wären auch heute gefragt.

Bald ist es hundert Jahre her, dass Joseph A. Schumpeter im Alter von erst 36 Jahren in der ersten demokratisch gewählten Regierung der jungen „Republik Deutschösterreich“ am 15. März 1919 das Amt des Finanzministers antrat. Er war damals Universitätsprofessor in Graz und hatte es bereits in jungen Jahren zu einem Ehrendoktorat an der Columbia University gebracht. Schon früh interessierte ihn die Rolle des innovativen Unternehmers in einer von technologischen Umbrüchen bestimmten Wirtschaftswelt –  später wurde daraus die Wortprägung von der „schöpferischen Zerstörung“. 

Als parteiloses Mitglied des Regierungsteams von Staatskanzler Karl Renner fand er – nur wenige Monate nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie – eine denkbar schwierige Aufgabenstellung vor. Noch bevor das endgültige Staatsgebiet feststand, waren schon grundlegende steuerpolitische Themen zu entscheiden, ebenso – bei darniederliegender Konjunktur – Fragen der Sanierung des Staatshaushalts. Während Schumpeter Konzepte verfolgte, mit denen Wien weiterhin Finanzzentrum auch für die Nachfolgestaaten bleiben sollte, drängte sein sozialdemokratischer Kontrahent Otto Bauer als Außenminister auf eine Währungsunion mit Deutschland, um den in der Verfassung der jungen Republik ausdrücklich vorgesehenen Anschluss an den großen Nachbarn vorzubereiten. Das alles spielte sich parallel zum Ringen um den Vertrag von St. Germain ab, der dem jungen Staat im September 1919 nicht nur hohe Reparationszahlungen, sondern auch das Verbot eines Zusammenschlusses mit Deutschland auferlegte.

Schumpeter konnte in den nur sieben Monaten seines Wirkens – er wurde wegen fundamentaler Meinungsdifferenzen in wichtigen Fragen wie jener der Verstaatlichung nicht mehr in die Nachfolgeregierung berufen – nicht wirklich Fuß fassen. Anspruch und Wirklichkeit klafften zu weit auseinander, mit seinen Lösungsansätzen zu Währungs- und Steuerfragen blieb er isoliert. Sein oft zitiertes finanzpolitisches Bonmot, dass sich eher ein Hund einen Wurstvorrat anlegt als eine demokratische Regierung eine Budgetreserve, stammt wohl aus späterer Zeit, war doch im Krisenjahr 1919 von Vorräten weit und breit keine Spur.

Die Zeit danach war für den grenzgenialen, zum Snobismus neigenden Weltmann von dramatischen beruflichen und privaten Wendungen geprägt. Nach einem Abstecher ins Bankwesen, der ihn an den Rand des Ruins brachte, wurde er schließlich an die Harvard University berufen, wo er zwanzig Jahre lang forschte, lehrte und publizierte. Seine weltweite Reputation reichte zuletzt an jene des großen John Maynard Keynes heran.

Auch heute wären unkonventionelle Denker, die unter Einbezug sozialer Wirklichkeiten und historischer Bedingtheiten aus den allzu modellhaften Erklärungsmustern des „Mainstream“ ausbrechen, wieder gefragt. Denn egal ob es um die Zukunft Europas, die Globalisierung oder Klimapolitik geht: letztlich kann Wirtschaftswissenschaft nur als politische Ökonomie wirksam sein.

21. Februar 2019

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