die furche - 253

Migrationsstreit unter Freunden

Auch in ganz anderen Regierungs-konstellationen gäbe es gute Gründe, sich der Zustimmung zum aktuellen Migrationspakt zu enthalten.

Die Entscheidung der Bundesregierung, dem Migrationspakt der Vereinten Nationen nicht beizutreten, spaltet die öffentliche Meinung in zwei unversöhnliche Lager. Diese Polarisierung erschwert eine nüchterne Abwägung von Pro und Contra. Ich hoffe, mit den folgenden Einwänden gegen den Pakt auf weiterführende, engagierte Diskussionen mit jenen zahlreichen Freunden, die sich der Initiative „Wir unterzeichnen den Integrationspakt“ angeschlossen und dasselbe von mir erwartet hatten. Ich enthalte mich jedoch der Stimme und will im Folgenden erklären, warum das so ist.

Viele sind deshalb gegen die Ablehnung des Paktes, weil sie glauben, er bezöge sich auf Asylanten und Flüchtlinge. Gerade diese werden davon jedoch nicht erfasst. Andere sind gegen ein Ausscheren Österreichs, weil es sich damit ausgerechnet zum Zeitpunkt des EU-Vorsitzes in die Gesellschaft der USA und Ungarns mit ihren missliebigen politischen Führungspersönlichkeiten begibt. Und wieder andere – deren Gefühlslage ich durchaus teile – halten die Entscheidung schon deshalb für höchst problematisch, weil sie von dem auf Ausgrenzung setzenden Teil der Regierung besonders forciert wurde.

 Dennoch stellt sich die Frage: warum ist ein Dokument zur globalen Migration mit einem Mal so wichtig, wo doch die internationale Gemeinschaft in den viel dringlicheren Flüchtlings- und Asylfragen so verheerend unkoordiniert vorgeht. Man erinnere sich nur an die skandalöse Kürzung (!) der UN-Lebensmittellieferungen für 1,7 Millionen syrische Flüchtlinge, die zum eigentlichen Auslöser der Massenflucht im Sommer 2015 wurde. 

Wäre es nicht viel vordringlicher, einen globalen Pakt über Wege zur Bekämpfung der eigentlichen Migrationsursachen anzustreben, verbunden mit großzügigen, an Rechtsstaatlichkeit gebundenen Hilfsprogrammen für die ärmsten Länder? Wie stünde es wohl um die Zustimmung zu solchen Plänen seitens all jener Staaten, von der Türkei über Pakistan bis Venezuela, in denen Menschen zur Auswanderung getrieben werden? Dass all diese Verursacher-Regime von Migration den vorliegenden Text unterzeichnen, höhlt dessen ideellen Stellenwert jedenfalls beträchtlich aus!

Ist es weiters verantwortungsvoll, ein Dokument, von dessen Inhalt man nicht ausreichend überzeugt ist, aus reinem Goodwill nur deshalb zu unterzeichnen, weil es angeblich ohnehin keine nationale Rechtswirkung entfalten soll? Oder ist es nicht vielmehr realistisch, davon auszugehen, dass der einmal angenommene Pakt in den Folgejahren faktische Rechtskraft schon dadurch erzeugen wird, dass sich Gerichte auf seine Intention berufen werden?

Und schließlich: sollten wir uns nicht zunächst um die Lösung der zahlreichen sozialen und arbeitsmarktpolitischen Folgewirkungen der EU-Binnenmigration bemühen, bevor wir globale Migrationsfragen für lösbar erklären?

All das führt mich zu dem Schluss, dass es auch in ganz anderen Regierungskonstellationen gute Gründe geben würde, sich der Zustimmung zum aktuellen Migrationspakt zu enthalten.

08. November 2018

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