die furche - 247

Ökonomen-Streit um
Euro-Billionen

Bei den TARGET-Salden schwanken Ökonomen zwischen Verharmlosung und Alarmismus. Niemand kennt die Wahrheit.

Eine sonderbare Magie der Zahlen bewirkt, dass oft erst bestimmte, numerisch auffällige Werte unsere Aufmerksamkeit bekommen. Die Billion – das Tausendfache einer Milliarde also – ist so ein spektakulärer Schwellenwert, der zuletzt in zwei sehr unterschiedlichen Zusammenhängen medial auffällig wurde.

Zum einen erreichte Apple, von Steve Jobs mit zwei Freunden 1976 in der sprichwörtlichen kalifornischen Garage mit einem Startkapital von nur 1.300 Dollar gegründet – vor wenigen Tagen als erster Konzern der Welt einen Börsenwert von einer Billion Dollar. Zum anderen tobt gerade ein mit schärfsten rhetorischen Waffen geführter Ökonomen-Streit um den so genannten „TARGET-Saldo“, der für Deutschland zuletzt in die Nähe der ominösen Tausend-Milliarden-Euro-Schwelle gerückt ist.

Worum es dabei geht, lässt sich im ersten Durchgang durchaus plausibel so erklären: Werden Überweisungen von einem Euroland in ein anderes vorgenommen, geschieht dies im Rahmen eines „TARGET“ (Abkürzung für Trans-European Automated Real-time Gross Settlement Express Transfer System) genannten Abwicklungssystems stets unter Zwischenschaltung der nationalen Notenbanken. Die Höhe aller zwischen Eurostaaten in beide Richtungen durchgeführten Überweisungen aus den unterschiedlichsten Geschäftsvorgängen ist innerhalb dieses Systems naturgemäß nie gleich. Es gibt am Ende immer einen Überschuss oder Fehlbetrag, der als positive oder negative Saldo-Größe ausgewiesen wird. All diese abwicklungstechnisch bedingten Zwischengrößen – sie werden als „TARGET-Salden“ bezeichnet – sind jedoch unspektakulär und folgenlos, solange sie sich innerhalb ein und derselben Währung abspielen.

Völlig anders stellt sich die Sache dar, wenn man die Gefahr eines Auseinanderbrechens des Euro-Gebietes für realistisch hält. Dann würde der jeweilige Anspruch aus den offenen Salden durch die zu erwartende Abwertung der ausgeschiedenen Währung möglicherweis nicht mehr zu Gänze einlösbar sein. Hans Werner Sinn, der ehemalige Leiter des Münchner Ifo-Institutes, warnt vor genau dieser Entwicklung. Er sieht den auf fast eine Billion Euro angestiegenen Saldo Deutschlands schlicht als im Krisenfall uneinbringlichen Überziehungskredit, von dem allein Italien etwa die Hälfte in Anspruch nimmt. Dass italienische Politiker jüngst für einen solchen Fall Rückzahlungsverpflichtungen ihres Landes ausgeschlossen haben, ist Wasser auf seine Mühlen.

Die Gegenposition wird von der Deutschen Bundesbank eingenommen. Sie beschwichtigt und erklärt die Salden-Bewegungen innerhalb des Euro-Zahlungssystems als rein technische Größen. Marcel Fratzscher, renommierter Leiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, wirft Sinn sogar „sinnlose Panikmache“ vor, während Sinn von „irreführender Verharmlosung“ spricht.

Österreich ist mit Verpflichtungen von knapp 50 Milliarden Euro vom TARGET-Salden-Thema im Übrigen nicht unmittelbar betroffen. Dennoch kann uns der heftige Ökonomen-Streit nicht gleichgültig sein. Denn es droht ein euro-politisch heißer Herbst, sollte Italiens Regierung die Euro-Spielregeln brechen und das Vertrauen der Finanzmärkte verlieren.

16. August 2018

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