die furche - 218

Über autonomes Denken und Fahren

 

Während des Versuchs, Eintrittskarten für ein Museum auf elektronischem Weg vorzubestellen, leuchtete mir jüngst am Bildschirm meines Notebooks die überraschende Aufforderung entgegen, durch Ankreuzen des Satzes „I´m not a robot“ mein Menschsein zu bestätigen. Nur kurz war ich verunsichert – dann klickte ich entschlossen meine Zustimmung. Erst nachdem mir das System diese digitale Selbst-Behauptung abgenommen hatte, ließ sich der Zahlungsvorgang abschließen. Ich war erleichtert. Was wäre wohl geschehen, hätte man – oder vielmehr: es – mir nicht geglaubt?

Gedankenspiele rund um eine künstliche Intelligenz, die uns eines Tages überlegen und damit zugleich übermächtig werden könnte, nehmen in geradezu beängstigender Dichte an Ernsthaftigkeit zu. Der „Homo Deus“, über dessen künftige Selbst-Überhöhung Yuval Noah Harari einen spannenden futuristischen Bestseller geschrieben hat, scheint in unaufhaltbarem Über-Mut seine intellektuelle Selbst-Enteignung vorzubereiten.

Geradezu lustvoll, begleitet von ein wenig scheinheiligem Zukunftsschauer, wird herbeigeredet, was uns entmündigt. Der amerikanische Zukunftsforscher Ray Kurzweil etwa sagt schon für das Jahr 2045 die „Singularität“ voraus. So nennt er jenen Zeitpunkt, zu dem sich eine künstliche Intelligenz zu einer dem Menschen überlegenen Wesenheit weiterentwickelt haben wird.

Seltsam nur, wie sorglos die Begriffe für derartige Digital-Utopien gewählt werden. Warum, so frage ich mich, nennt man autonomes Fahren, was doch in Wirklichkeit – ganz entmystifiziert – nichts anderes sein kann als automatisiertes Fahren in seiner höchsten Entwicklungsstufe. Was heute schon probehalber von fahrerlosen Shuttle-Bussen in Touristenzentren beherrscht wird, wird nach weiteren technischen Entwicklungsschritten breitere Anwendung finden. Das muss jedoch die Autonomie unseres eigenen Handelns so wenig einschränken wie heute schon automatisch gesteuertes Liftfahren in Hochhäusern. Es bleibt an uns, zu entscheiden, in welchem Umfang wir uns technischer Neuerungen bedienen.

Wollen wir die kostbare „Autonomie“ wirklich so leichtfertig verschenken? Sie beschreibt doch nicht weniger als den Zustand der Selbst-Bestimmung und den von Immanuel Kant angesprochenen Mut, sich des eigenen Verstandes zu bedienen. Diesen Kern eigenverantwortlicher Identität sollten wir uns nicht durch leichtfertige Begriffs-Spiele entwinden lassen. So willkommen uns die Erleichterung des Alltags durch raffiniertere technische Automaten sein mag: das humane Monopol auf autonomes Denken ist unverzichtbar.

Was wir aus den in uns angelegten Möglichkeiten als menschliche Wesen machen, ist millionenfach singulär. Einzigartig in diesem Sinn wird eine noch so hoch entwickelte Erfindung nie sein können. Sollten wir jedoch eines Tages unser Schicksal tatsächlich in die Entscheidungsgewalt digitaler Maschine legen, wäre das immer noch unser eigener Wahnsinn gewesen. Wir werden die Verantwortung für die Besen, die wir riefen, nicht mehr los.

29. Juni 2017

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