die furche - 195

Über Familienunternehmen

 

Anlässlich der Präsentation eines Buches über die bewegte Geschichte einer der ältesten Unternehmerfamilien Österreichs1 war ich eingeladen, einige Gedanken über Familienunternehmen beizusteuern. So deutlich wie nie zuvor wurde mir dabei bewusst, wie entscheidend die besondere Rolle dieses Unternehmenstypus für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft ist. Weil jedoch unser wirtschaftliches Weltbild in den Medien, in der Politik wie in der Wissenschaft durch die Orientierung am Kapitalmarkt- und Börsengeschehen geprägt ist, bleiben Familienunternehmen, in denen der ganz große Teil der Wertschöpfung entsteht, oft unbeachtet.

Dabei liegt das Schicksal von mehr als zwei Drittel der in ihren jeweiligen Marktnischen am Weltmarkt führenden Unternehmen in den Händen von Familien. Eben weil uns das meist verborgen bleibt, nennt sie der deutsche Innovations-Forscher Hermann Simon „Hidden Champions“. Sie schaffen nachgewiesenermaßen mehr Arbeitsplätze – und mehr inländische Arbeitsplätze – als Unternehmen im Besitz anonymer Kapitaleigner. So betrug das Beschäftigungswachstum bei den 500 größten Familienunternehmen Deutschlands in den Jahren von 2006 bis 2012 nicht weniger als 11 Prozent, während die im Aktienindex DAX konzentrierten Unternehmen ihre Mitarbeiterzahl um 7,3 Prozent reduzierten.

Familienunternehmen der Industrie reagierten flexibler auf die Folgen der Finanzkrise und erwiesen sich oft als widerstandsfähiger. Sie legen eine höhere Investitions-Intensität an den Tag, agieren nachhaltiger und vermeiden die Orientierung an kurzfristigen, quartalsberichts-getriebenen Anreizsystemen. Dazu kommt in der großen Mehrzahl eine an gelebten Werten orientierte Unternehmensführung, die sich ihrer Eigentümer-Verantwortung stellt.

Ich betone das alles nicht, um unkritisch einen Unternehmenstyp gegen einen anderen auszuspielen. Sondern aus Sorge darüber, dass bei all den ins Kraut schießenden (Über-)Regulierungen auf die Bedürfnisse der Familienunternehmen keine ausreichende Rücksicht genommen wird. Das lahmende Investitionsgeschehen und eine alarmierende Stagnation bei Unternehmenskrediten sind Anzeichen dafür, dass die absurde Komplexität der Bankenregulierung längst zu einer massiven Konjunkturbremse geworden ist. Dagegen helfen auch Nullzinsen nichts – und am allerwenigsten die zuletzt von der Europäischen Zentralbank in Angriff genommenen Ankäufe von Unternehmensanleihen.

Der Blick in die dramatischen Wechselfälle nicht nur der österreichischen Wirtschafts- und Industriegeschichte der letzten drei Jahrhunderte macht bewusst, wieviel Grundlegendes geschaffen und wieviel Geschaffenes mutwillig wieder zerstört wurde. Und er schärft den Blick dafür, dass wir mit den Weichenstellungen von heute jene Ereignisketten auslösen, über die Historiker morgen berichten werden.

Wirtschaftspolitiker und Notenbanker wären deshalb gut beraten, jene Unternehmen zu schätzen und im Land zu halten, die in Generationen statt in Quartalen denken und handeln.

04. August 2016

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