die furche - 162

Ein Gesetz aus gegebenem Anlass

 

„Anlass-Gesetzgebung“ sollte nicht sein, gewiss. Aber woraus sonst, wenn nicht aus konkreten Anlässen, käme der Antrieb für neue Gesetzesinitiativen. Oft sind auffällige Einzelereignisse sogar Vorboten einer größeren Veränderung, die eines neuen gesetzlichen Rahmens bedarf. Ein typisches Beispiel dafür ist der Verlauf der Diskussion rund um das sogenannte „Crowdfunding“, also die Aufbringung von Finanzierungen für Unternehmen mit Hilfe von sozialen Netzwerken. Nach holprigem Start mündet sie nun in ein durchaus vielversprechendes gesetzliches Regelwerk.

Gut drei Jahre währte der Rechtsstreit des Waldviertler Schuherzeugers Heinrich („Heini“) Staudinger mit der Finanzmarktaufsicht (FMA). Nicht weniger als 2,9 Millionen Euro an Krediten hatte er anstelle eines Bankkredits im direkten Weg von etwa 200 seiner Kunden eingeworben – aus Behördensicht eine glatte Umgehung des Bankenrechts, zu ahnden mit einer saftigen Verwaltungsstrafe. Der Unternehmer verweigert deren Bezahlung bis heute und gewann die Sympathien der Öffentlichkeit für sein Anliegen vor allem mit dem Argument, die FMA hätte bei viel wichtigeren Banken-Themen in der Krise weggeschaut.

Mittlerweile hat die FMA ihren Standpunkt bis zum Höchstgericht durchgesetzt, gestützt von durchaus plausiblen Argumenten des Konsumentenschutzes und Mindesterfordernissen an Transparenz gegenüber den privaten Gläubigern. Staudinger erklärte sich zuletzt – widerstrebend aber doch – bereit, auf eine rechtskonforme Konstruktion umzusteigen. Dennoch kann der populäre „Schuhrebell“ als persönlichen Erfolg verbuchen, dass sich die Bundesregierung nun auf die Schaffung eines im europäischen Quervergleich durchaus großzügigen Gesetzesrahmens für alternative Finanzierungsformen geeinigt hat.

Erst sein ziviler Ungehorsam, mit dem er sich bis nach Brüssel Gehör verschaffte, entzündete eine im Gefolge der Finanzkrise auch anderswo aufgebrochene Auseinandersetzung über zwei für die Realwirtschaft elementare Fragen: welche Wege der Fremdfinanzierung gibt es außerhalb des klassischen Bankkredites und wie bringt man Sparer und Investoren auf direktem Weg zusammen, ohne auf den nur größeren Unternehmen zugänglichen Kapitalmarkt angewiesen zu sein.

Künftig soll die Aufbringung von Fremdkapital und Direktbeteiligungen über professionelle Crowdfunding-Plattformen erleichtert und die volle Prospektpflicht erst ab einer erstaunlich hohen Grenze von fünf Millionen Euro gefordert werden. Die Wertgrenzen, bis zu denen Einzelne investieren dürfen, werden ebenfalls erhöht, sollen aber nach wie vor gegen allzu spontane Investitionsentscheidungen schützen.

Die bisher winzige Nische alternativer Finanzierungsformen wird sich mit dem neuen Alternativfinanzierungsgesetz deutlich vergrößern. Das ist gut so und wird einer Reihe von Unternehmen mit attraktiven, gut kommunizierbaren Geschäftsplänen neue Chancen bieten. Zugleich bietet es den willkommenen Anlass, sich über eine durchaus gelungene Anlassgesetzgebung zu freuen.

09. April 2015

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