die furche - 154

Konjunkturprogramme entstehen im Kopf

 

Geht´s noch tiefer? Ganze 0,7 Prozent kosteten zuletzt zehnjährige deutsche Bundesanleihen, während sich die gesamteuropäische Inflationsrate mit 0,3 Prozent dem Wendepunkt ins deflationäre Minus nähert. Zugleich testet der deutsche Aktienindex seine Höchstmarke. Die größte europäische Volkswirtschaft ist auch realwirtschaftlich in guter Verfassung, während die Konjunktur in Frankreich und Italien lahmt. Deutliche Signale der Erholung kommen hingegen von den Schutzschirm-„Programmländern“ Irland, Portugal und Griechenland. Auch die Beschäftigungslage ist von Land zu Land höchst unterschiedlich. Bei unterausgelasteten Kapazitäten verfestigt sich vielfach die Arbeitslosigkeit, während man in Deutschland beinahe schon von Vollbeschäftigung sprechen kann.

Das wirtschaftliche Überblicksbild Europas wird noch lange uneinheitlich bleiben, so verschieden, wie die Strategien der Nationalstaaten nun einmal sind. In einigen, vor allem südlichen Euro-Ländern ist ein sinkendes Lohn- und Preisniveaus die einzige Möglichkeit, mangels Abwertungsmöglichkeit an innereuropäischer Wettbewerbskraft zu gewinnen. Das Ergebnis dort heißt vorübergehend „Deflation“ – woraus sich im statistischen Durchschnitt gesamteuropäische Inflationsraten von nahe Null und vielleicht bald auch darunter ergeben. Das aus ihren Gründungsjahren stammende Ziel der europäischen Notenbank, die gefürchtete Inflation möglichst auf zwei Prozent zu begrenzen, verliert in einem solchen Umfeld seinen Sinn. Und schon gar nicht kann man die EZB daran messen, ob es ihr gelingt, sich durch zusätzliche Geldschöpfung im Wege des Ankaufs von weiteren Wertpapieren an dieses mittlerweile herbeigesehnte Zwei-Prozent-Ziel von unten heranzuarbeiten.

Ebenso problematisch ist der Versuch, mit neuer Geldschöpfung durch Wertpapierankäufe die Realwirtschaft anzukurbeln. Die bisherige Reaktion der Kapitalmärkte auf derartige Ankündigungen hat wohl zu noch höheren Ausschlägen der Börsenkurse geführt, bewirkte aber keine Belebung des Investitionsgeschehens. Die Möglichkeiten zur Kreditverbilligung sind durch Senken des Zinssatzes gegen Null nun einmal ausgeschöpft. Dass daraus noch keine gesteigerte Investitionslust folgt, hat jedenfalls nicht mit mangelnder Bereitstellung von Liquidität zu tun. Eher schon ist dafür ein mittlerweile hoffnungslos überreguliertes Bankensystem verantwortlich, in dem – wie es ein ehemaliger Branchenkollege jüngst ausdrückte – schon jeder einzelne Baum reguliert, der drohende Waldbrand hingegen möglicherweise übersehen wird.

Das wirksamste Konjunkturprogramm wird weder von Regierungen noch von Notenbanken geschrieben. Es entsteht in den Köpfen von Menschen in Unternehmen und Regierungen, die neue Chancen sehen, Projekte umsetzen, investieren und an die Zukunft glauben. Sinkende Energiepreise und der im Außenwert gegenüber dem Dollar endlich wieder in vernünftige Bandbreiten zurückgekehrte Eurokurs bringen da im Augenblick mehr als noch so eifriges Mehren von Geld- oder Schuldenmengen.

04. Dezember 2014

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