die furche - 148

Nun ist die Politik am Zug

 

Die jüngsten Entscheidungen der Europäischen Zentralbank zeigen, wie ausgereizt deren herkömmliches geldpolitisches Instrumentarium bereits ist. Denn eine Zinssenkung von 0,15 auf 0,05 Prozent stellt gewiss keinen ernsthaften Impuls für eine erhöhte Kreditnachfrage dar. Und was bewirkt der beschlossene Ankauf von „Verbriefungen“, also Wertpapieren, die aus der Bündelung einzelner Kreditforderungen bestehen? Nun, er entlastet zwar die Bilanzen einiger Großbanken, die auch im achten Jahr nach Beginn der Finanzkrise noch zu viel von diesem – für die Auslösung der Finanzkrise mitverantwortlichen – Teufelszeug in ihren Büchern haben. Zu einer nennenswerten Ankurbelung des Wachstums wird es dadurch aber nicht kommen.

Wichtiger als die Wirkungen der von Dr. Draghi verabreichten Medizin ist diesmal wohl die erwünschte Nebenwirkung einer Schwächung des Euro gegenüber dem US-Dollar. Ein Kurs von rund 1,20 – gegenüber der Spitze von 1,40 noch vor einem halben Jahr – würde der Exportwirtschaft aller Eurostaaten den lange erhofften Rückenwind geben und neue Arbeitsplätze schaffen. Ganz ohne Belastung der Budgets der Euroländer, die sich Konjunkturprogramme ohnehin nicht leisten könnten.

Die wirklichen Gründe für die europäische Wachstumsschwäche liegen aber tiefer. Als der Schock der Finanzkrise 2008 hereinbrach, erwies sich Europa als wesentlich abhängiger von seinen Banken als die USA. Während die kumulierte Bilanzsumme aller US-Banken nur etwa 80 Prozent der Wirtschaftsleistung ausmacht, liegt das Gewicht der Banken in mehr als der Hälfte aller europäischen Staaten bei über dem Doppelten des Bruttosozialprodukts. Bis zur Schaffung der Bankenunion unterlagen alle diese Geldinstitute 28 verschiedenen Aufsichts- und Rechtssystemen.

Seine mosaikartige Struktur souveräner Staaten mit je eigener Fiskal – und Bankenpolitik macht unseren Kontinent deutlich krisenanfälliger als die geld-, finanz- und fiskalpolitisch ungeteilten Vereinigten Staaten. Aus jeder missglückten Bankenrettung kann in Europa eine Staatskrise werden – und umgekehrt aus jeder Staatskrise ein paneuropäisches Bankenproblem. Sucht man eine Antwort auf die Frage, warum es Europa um so viel länger dauert als in den USA, um nach der Finanzkrise wieder so etwas wie Normalität herzustellen: hier ist sie zu finden. Es grenzt im Nachhinein an ein Wunder, dass es in den letzten Jahren unter diesen Voraussetzungen überhaupt gelingen konnte, eine noch größere Katastrophe abzuwenden.

Die Notenbank hat ihre Schuldigkeit getan und zuletzt vielleicht sogar übers Ziel geschossen. Sie kann die notwendigen Reformen in den Mitgliedsländern aber nicht ersetzen und schon gar nicht den Staatschefs die Entscheidung über den richtigen Umgang mit dem aus meiner Sicht viel zu rigiden Schuldenpakt abnehmen. Das Vertrauen, aus dem Konsum- und Investitionsfreude entsteht, muss durch die richtigen politischen Maßnahmen geschaffen werden. Darum ist es hoch an der Zeit, dass die europäische Kommission endlich wieder handlungsfähig wird.

08. September 2014

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